Madras

Madras

[9] Madras, eine der Präsidentschaften des brit. Gebiets in Ostindien (s.d.), begreift den größten Theil von Vorderindien, nämlich die ganze Ost- und einen Theil der Südwestküste, und wird in die neun Provinzen Karnatik, Colmbatur, Salem mit Barramahal, Cirkars, Mysore oder Mahetschassur, d.i. Ungeheuer mit dem Büffelkopfe, Malabar, Travancore oder Tiruvankor, Canara und Balaghaut, zusammen 8791 ! M. und 19 Mill. Einw., abgetheilt, wovon drei Viertel unmittelbare brit. Unterthanen sind und die übrigen unter brit. Schutze stehen.

Hauptstadt von M. ist Madraspatam oder Madras mit mehr als 50000 Einw. und liegt in der Provinz Karnatik in einer sandigen Gegend der Ostküste, an der Mündung des Palier, hat aber, obgleich sie der wichtigste Handelsplatz des östl. Theils der Halbinsel ist, keinen Hafen, sondern nur eine Rhede. Sie besteht aus dem sehr festen und von mehr als 2500 Kanonen und 4500 M. vertheidigten Fort St.-Georg, der befestigten Pettah oder schwarzen Stadt, die sehr unregelmäßig gebaut und von Eingeborenen verschiedener Stämme, von Chinesen, Armeniern, mohammed. Arabern, schwarzen Juden, aber auch von Europäern bewohnt wird, welche jedoch vorzugsweise das Fort und die von einer Mauer umschlossene, regelmäßig und schön gebaute weiße Stadt inne haben, wo sich auch die größten Waarenmagazine befinden. Unter den vielen, meist von Gärten umgebenen großen Gebäuden zeichnet sich der 1802 erbaute Palast des Gouverneurs aus, der den größten Saal der Erde enthalten soll; es befindet sich hier ferner die schönste Kirche in Asien, die selbst von keiner in London übertroffen wird und von einem Palmenhain umgeben ist; auch sind zahllose Moscheen und Pagoden für die verschiedenen Sekten vorhanden, denn es leben hier außer Bekennern und Priestern der lutherischen, engl., katholischen und griech. Kirche, auch die der hauptsächlichsten asiat. Religionen friedlich nebeneinander. Ferner bestehen hier eine Sternwarte, ein Collegium zur Erlernung der ind. Sprache für Christen und Brahminen, auch eine Schule für arme protestantische Kinder, eine lutherische Missionsanstalt, eine asiat. und andere literarische Gesellschaften und Bildungsanstalten. Die Stadt ist erst seit 1645 entstanden, wo die Engländer hier festen Fuß faßten und das Fort St.-Georg erbauten; außer dem höchst wichtigen Handel gehört die Verfertigung von Baumwollen,- Glas- und Töpferwaaren zu den besondern Erwerbsquellen der Bewohner. Andere merkwürdige Orte der Präsidentschaft M. sind: Tanjore am Caveri mit 30,000 Einw. und einer von einem ind. Fürsten zum Andenken des hochgeachteten, aus Sonnenburg in Brandenburg gebürtigen Missionars Schwarz, gestifteten Schulanstalt für 50 arme Christenkinder; auch liegen in der Nähe 63 von mehr als 4000 lutherischen Eingeborenen bewohnte Dörfer, die 32 Schulen unterhalten; Vellore, am Palarfluß, wo die Nachkommen Tippo Saheb's unter engl. Aufsicht wohnen und in dessen Nachbarschaft auch die hier abgebildete Festung Dschindschi[9] auf einem der steilen Felsen des Dschindschigebirges, an ihrem Fuße aber die Stadt Raja-Ghur liegt, von deren früherm Glanze die im Vordergrunde des Bildes sichtbare prächtige Moschee ein Denkmal ist. Negapatam, eine wichtige Seestadt, gehörte bis 1783 den Holländern; das Dorf Mahabalipuram an der Küste, mit berühmten, aber zum Theil unter Wasser stehenden Trümmern von sieben Pagoden; die den betreffenden Provinzen gleichnamigen Hauptstädte Travancore, Coimbatur und Salem; Mazulipatam mit einem guten Hafen am bengal. Meerbusen und 75,000 Einw., die viel Baumwollenwaare, Indigo, Zucker, Rum u.s.w. liefern; Seringapatam mit 32,000 Einw., die frühere Residenz von Hyder Ali und Tippo Saheb; das vor seiner Verheerung durch Letztern im J. 1790 reiche Kalikut an der Küste von Malabar mit nur noch 24,000 Einw., wo 1498 die ersten Portugiesen unter Vasco de Gama landeten; Bellary und Mangalore, letzteres mit 30,000 Einw. und einem zwar seichten, aber vielbesuchten Handelshafen, auch durch die tapfere Vertheidigung des engl. Generals Campbell berühmt, der es im J. 1782 mit 3550 M. gegen 140,000 Mahratten unter Tippo Saheb sieben Monate lang behauptete. In der Präsidentschaft M. ist 1836 die erste, einige engl. Meilen lange Eisenbahn in Indien vollendet worden. – Madrastücher heißt eine Art bunter, gegitterter baumwollener Tücher, die an der Küste von Coromandel viel verfertigt werden.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 9-10.
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