Schlözer

[94] Schlözer (Aug. Ludw. von), einer der berühmtesten Geschichtsforscher der neuern Zeit, geb. 1737 zu Jagstadt an der Jaxt im Hohenlohe-Kirchbergischen, war der Sohn eines Predigers. Er wurde, da er seinen Vater frühzeitig verlor, bei Verwandten erzogen, ging 1751 nach Wittenberg, um Theologie zu studiren, und 1754 nach Göttingen, bis er dann einem Rufe als Hauslehrer nach Schweden folgte, wo er viertehalb Jahr theils zu Stockholm, theils zu Upsala verlebte. Der Plan, den Orient zu bereisen, führte ihn 1759 aufs Neue nach Göttingen zurück, wo er, nach eifriger Erlernung der oriental. Sprachen, nun auch Medicin studirte. Schon im Begriff die Reise anzutreten, erhielt er 1761 einen vortheilhaften Ruf nach Rußland als Hauslehrer und Gehülfe bei dem Reichshistoriographen Müller. Obgleich S. bald die Eifersucht Müller's rege gemacht hatte, erhielt er doch 1762 die Stelle eines Adjuncts bei der Akademie und die eines Lehrers an der Rasumowski'schen Erziehungsanstalt. Als er aber 1764 als außerordentlicher Professor nach Göttingen zurückkehren wollte, verhinderte dies Müller, indem er einen Befehl des Senats auswirkte, der S. zu bleiben und seine Sammlungen zur russ. Geschichte herauszugeben gebot. Obgleich das Letztere nicht geschah, so mußte S. dennoch bleiben, wurde aber zur Entschädigung 1765 mit einem ansehnlichen Gehalte von der Regierung zum Professor bei der Akademie ernannt, um die alte russ. Geschichte zu lehren, und einen dreimonatlichen Urlaub benutzte er zu einer Reise nach Deutschland, bis er 1767 Petersburg auf immer verließ, und einem Rufe als ordentlicher Professor der Politik nach Göttingen folgte. So ausgebreitet hier der Wirkungskreis war, den er sich durch seine Vorlesungen unter den Studirenden bildete, so hat er doch mehr noch durch zahlreiche, gelehrte und gründliche Schriften das Gebiet der Geschichte und der sämmtlichen Staatswissenschaften aufgehellt und bereichert. Im J. 1804 wurde er von Kaiser Alexander in den Adelstand erhoben, und in seinem 70. Jahre zog er sich von allen Geschäften zurück und starb als geheimer Justizrath am 9. Sept. 1809. Außer den Geschichtswerken S.'s, in welchen er über die Geschichte slawischer Völker Licht verbreitete, sind hier seine »Weltgeschichte« (2 Bde., Götting. 1792–1811), und eine »Vorbereitung zur Weltgeschichte für Kinder« nennenswerth, sowie er durch seinen »Briefwechsel« (10 Bde.) und seine »Staatsanzeigen« (18 Bde.), deren Hauptzweck war, ohne Furcht und Scheu Misbräuche und Mängel zu rügen, einflußreich auf den politischen Zustand seiner Zeit wirkte. – Seine älteste Tochter, Dorothea, geb. 1770, seit 1792 an den Senator und Großhändler Rodde zu Lübeck verheirathet, war ihrem Vater bei seinen gelehrten Arbeiten eine treue Gehülfin, und wurde 1787 von der göttinger Universität zum Doctor der Philosophie ernannt. Sie starb auf der Rückkehr aus dem südl. Frankreich zu Avignon 1825.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 94.
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