Starrkrampf

[278] Starrkrampf wird eine bei uns zum Glück ziemlich seltene, in heißen Ländern dagegen, wie namentlich in den Tropengegenden, häufiger vorkommende, anhaltende, jedoch zeitweise sich sehr verschlimmernde, höchst gefährliche und oft tödtlich endende Krankheit genannt, welche darin besteht, daß entweder sämmtliche Muskeln des Körpers oder doch die Mehrzahl derselben, und dann vorzugsweise die des Rückens, der Seitengegenden des Rumpfes und die der Gliedmaßen oder die der Kinnladen unwillkürlich sich zusammenziehen, hart und steif werden, wonach man einen allgemeinen und theilweisen Starrkrampf (welcher letztere unter der Benennung Kinnbackenkrampf bekannt ist) unterscheidet. Der allgemeine Starrkrampf, auch Todtenkrampf genannt, tritt zuweilen ganz plötzlich ein, öfter jedoch, nachdem eine ungewöhnliche Neigung zum Gähnen, ein Gefühl von Spannung im Nacken und Rücken mit einiger Rückwärtsbeugung des Kopfes, ein leichtes Frösteln, Behinderung beim Sprechen und Schlingen, Angst und Beklemmung der Brust, schmerzhaftes Ziehen und Rassen in der Magengegend, Zuckungen in den Gesichtsmuskeln u.s.w. vorausgegangen sind, und äußert sich, je nachdem diese oder jene Gruppe von Muskeln vorzugsweise von Krampf befallen wird, in verschiedener Art, wie z.B. durch bis zu völliger Regungslosigkeit gesteigerte Streckung des ganzen Körpers mit Überbeugung des obern und untern Theils des Körpers nach hinten, durch Krümmung des Rumpfes nach vorn oder nach einer oder der andern Seite. Dabei fühlen sich die zunächst von Krampf ergriffenen Muskeln steinhart an, das Bewußtsein bleibt frei oder wird mehr oder weniger getrübt, das Gesicht erscheint blaß, zuweilen aber auch bläulich geröthet, bleifarben, der Puls ist voll, hart und langsam, manchmal aussetzend, die Athemnoth wird immer größer, droht mit Erstickung, es treten allgemeine Convulsionen ein, und gelingt es nicht der ärztlichen Kunst, das schwer bedrohte Leben binnen wenigen Stunden oder Tagen zu retten, so endet dasselbe durch Schlag oder Stickfluß oder gänzliche Erschöpfung der Kräfte. Ein solcher Anfall dauert von einigen Minuten bis zu einer halben und ganzen Stunde, hört dann unter leichten Zuckungen und mit Hinterlassung einer großen, zuweilen bis zu Ohnmachten gesteigerten Schwäche auf und kehrt früher oder später zurück, sodaß ein beständiger Wechsel zwischen Anfall und Nachlaß statt hat. In dieser Weise dauert die Krankheit einige Stunden bis zu einigen Tagen. Geht sie in Genesung über, so geschieht dies meist unter Eintritt eines ruhigen Schlafes oder vermehrter Ausscheidungen durch die Nieren, die Haut und den Darmkanal, zuweilen auch nach Vorausgang von Zuckungen und dem Gefühle von Ameisenkriechen unter der Haut. Mitunter verwandelt sich der Starrkrampf aber auch in andere Nervenübel; so gibt er namentlich gern zur Entstehung von Lähmungen Veranlassung, und hinterläßt nicht selten eine lebenslängliche Nervenschwäche. Wo überhaupt Anlage zur Krankheit vorhanden ist, wie z.B. bei der sogenannten nervösen Körperconstitution oder, wo sich dieselbe nach Vorausgang oder im Verlaufe anderer Nervenkrankheiten entwickelt, da bringen Verletzung und Verwundung von sehnigen Theilen und Nervenzweigen, das Zurückbleiben von spitzigen, scharfen oder fremden Körpern in Wunden, heftige körperliche Schmerzen, erschütternde Gemüthsbewegungen, so besonders heftiger Schreck, manche Pflanzengifte, [278] starke Erkältung nach beträchtlicher Erhitzung u.s.w. leicht den Starrkrampf hervor, der sich übrigens auch als bedenkliches Symptom zu manchen andern Krankheiten, wie z.B. zu bösartigen Wechselfiebern, zur Entzündung, Wassersucht und organischen Fehlern des Gehirns gesellt. Der Starrkrampf ist immer eine höchst gefährliche Krankheit, zumal wo er einheimisch ist, während der auf leicht zu beseitigende Ursachen, auf Gemüthsbewegungen und in Folge anderer Nervenkrankheiten eingetretene, von nicht zu großer Heftigkeit und nicht allzu langer Dauer eher Genesung hoffen läßt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 278-279.
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