Stiergefechte

Stiergefechte
Stiergefechte

[298] Stiergefechte (die) sind ein den Spaniern eigenthümliches und von ihnen leidenschaftlich geliebtes Schauspiel, an welchem, so grausam es auch ist, nicht nur Männer, sondern auch Frauen den lebhaftesten Antheil nehmen.

Sie bestehen in Spanien seit den ältesten Zeiten und sind durch die Spanier auch in Südamerika eingeführt worden. Die Stiergefechte bieten das interessante Schauspiel des Kampfes menschlicher Klugheit und Gewandtheit mit der rohen Kraft dar. Vorgenommen werden dieselben auf eigens eingerichteten großen freien Plätzen, welche mit Schranken und Plätzen für die Zuschauer umgeben sind. Das größte Amphitheater für Stiergefechte hat Sevilla (s.d.). An einigen Stellen sind die Schranken mit Sprossen versehen, auf welche sich die Kämpfer bei allzu dringender Gefahr retten können. Die Kämpfer heißen sämmtlich Toreadores, unterscheiden sich aber namentlich in Picadores und Matadores. Jene haben nur den Zweck, den Stier durch allerlei Neckereien und durch Verwundungen in Wuth zu bringen, dürfen ihn aber nicht erlegen. Sie müssen seinen Angriffen nur Gewandtheit und Schnelligkeit entgegensetzen. Die Matadores dagegen treten dem Stiere zum Kampf auf Tod und Leben entgegen; ihre Kunst besteht vorzüglich darin, dem wüthenden Thiere sich muthig entgegenzustellen und es mit einem Schwertstoße zu fällen. Die Picadores sind in Seide zierlich gekleidet und reich geschmückt. In der Linken halten sie ein Bündel mit Wurfpfeilen mit rothen Fähnchen und noch eine größere rothe Fahne. So gerüstet betreten sie den Schauplatz, erwidern die Grüße des Publicums und erwarten die Ankunft des Stiers. Eine Thür unter der Magistratsloge öffnet sich und der bereits durch Peinigungen gereizte Stier stürzt hervor. Sogleich beginnen die Picadores ihre Neckereien, indem sie seine Seiten mit Pfeilen spicken und ihn durch den Anblick der rothen Fahne aufreizen. Die Ausbrüche der Wuth eines so mächtigen Thiers haben etwas Großartiges, aber auch die Gewandtheit der Picadores ist zu bewundern, welche sich mit Blitzesschnelle den Angriffen zu entziehen wissen, die sie zu vernichten drohen. Hat die Wuth des Thieres ihren höchsten Grad erreicht. so tritt der Matador auf. Er ist noch prächtiger gekleidet als die Picadores und hält in der Rechten ein kurzes, starkes Schwert. Er grüßt das Publicum, die Picadores treten ab, und der Matador stellt sich mit einer furchtbaren Ruhe dem gegen ihn heranstürzenden Stiere entgegen. Um noch höhern Beifall zu ernten, schont der Matador noch seinen Gegner; er springt im Augenblick, wo ihn der Stier schon aufzuspießen scheint, auf die Seite und legt ihm die Spitze des Schwerts in die Weichen, aber ohne den tödtlichen Stoß zu vollziehen; oder er setzt dem mit gesenktem Haupte heranlaufenden Stiere wol gar den linken Fuß zwischen die [298] Hörner und schwingt sich, indem das Thier sich aufrichtet, über dasselbe hinweg. Das grausame Spiel endet, indem der Matador bei einem neuen Anlaufe dem Stier das Schwert in die Brust stößt. Der Stoß ist in der Regel so wohl gezielt, daß das Thier ohne Weiteres todt zur Erde stürzt. Nun werden vier reich geschmückte Pferde in den Circus geführt, die den noch dampfenden Leichnam fortschaffen. Außer der beschriebenen gibt es noch andere Arten der Stiergefechte. So stellen sich die Toreadores zuweilen auch zu Pferde dem Stiere entgegen. Die Picadores sind dann mit langen Lanzen bewaffnet, mit denen sie den Stier, indem sie ihm ausweichen, in den Nacken verwunden. Das vielfach verwundete Thier erliegt endlich der Menge seiner Gegner. Häufig werden bei diesem Kampfe die Pferde verwundet und getödtet. Oft kommen aber auch die Reiter in Lebensgefahr. Ist das Pferd unter ihnen gefallen, so müssen sie sich mit dem Schwerte in der Hand dem Stiere entgegenstellen. Zuweilen greift ein Schwarm unbewaffneter Picadores zu Fuß den Stier gleichzeitig an, wirst ihn zu Boden und überläßt dann dem Matador, ihn zu tödten. Die Leidenschaft der Spanier für dieses blutige Schauspiel ist so groß, daß oft 15–20 Stiere an einem Tage ihr Leben lassen müssen, um die Luft der Zuschauer zu befriedigen. Man hat viel gegen ein so grausames Volksvergnügen geeifert, aber ohne daß es darum abgekommen wäre; die Spanier können es so wenig entbehren, wie die Engländer ihre Pferderennen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 298-299.
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