Viola

[610] Viola, Violine, Violon, Violoncelle sind Geigen oder musikalische Bogeninstrumente von verschiedener Größe und verschiedenem Tone, welche aber mit einigen andern noch zu nennenden die im Allgemeinen übereinstimmende Bauart und Das gemein haben, daß sie mit Darmsaiten bezogen sind, welche durch Streichen mit einem Bogen zum Tönen gebracht werden, während das Aufsetzen der Finger der linken Hand auf die Saiten die Höhe und Tiefe des Tons bestimmt. Der Körper dieser Instrumente ist von Holz und besteht aus der Decke oder dem Resonanzboden, einem ovalen, in der Mitte etwas gewölbten, an beiden Seiten aber halbrund ausgeschnittenen dünnen und völlig trockenen Bret von Fichtenholz, in welchem sich zwischen den Ausschnitten zwei längliche Schalllöcher in Gestalt eines lat. F (daher F-Löcher) befinden. Die Ausschnitte sind zur freien Bewegung des Bogens, die Schalllöcher wegen der Verbindung zwischen der äußern und der Luft im Innern des Instruments nöthig. Ein der Decke völlig gleichgestaltetes Bret von Ahorn, allein ohne Schalllöcher, gibt den Boden ab und ist mit jener durch die Zarge oder den Reisen verbunden, eine dünne Seitenwand von Ahornholz, welche sich den Krümmungen und Ausschnitten von Decke und Boden genau anschließt und inwendig an den Ecken, sowie oben und unten noch durch angeleimte Klötzchen einen vermehrten Halt bekommt. Am obern Theile ist in die Mitte der Zarge der Hals eingesetzt, ein halbrundes Holzstück, welches an der Violine ungefähr eine Viertelelle lang und oben von dem bis ziemlich in die Mitte des Instruments reichenden, schmalen und schwarzen Griffbrete bedeckt ist. An seinem dünnen Ende geht der Hals in den meist schneckenförmig geschlossenen Wirbelkasten oder Lauf aus, in welchem die Wirbel laufen, um welche die Saiten gewickelt und mittels welcher sie angespannt oder nachgelassen (gestimmt) werden. Sie laufen von hier über das Griffbret, auf dem sie aber wegen einer kleinen Erhöhung (dem Sattel oder Kissen, Wulst) am Anfange desselben nicht aufliegen können, in zunehmender Entfernung voneinander und vom Deckel bis zum Stege, einem zwischen dem Schalllöchern aufgerichteten dünnen Bretchen. Hinter diesem senken und nähern sie sich wieder und sind mittels eines Knotens in die Spalten des Saitenhalters befestigt, eines schmalen und länglichen etwas gewölbten Bretchens, welches mit einer starken Saite an einem dem Halse gegenüber an der Zarge des untern Theils befindlichen Knopfe festgemacht ist. Endlich ist noch inwendig an der Decke unter der tiefsten Saite eine nach beiden Enden sich verdünnende Leiste, der Balken oder Träger, angeleimt und etwas hinter dem Stege unter den beiden höchsten Saiten ein Holzpflöckchen zwischen Decke und Boden (die Stimme, der Stimmstock oder die Seele) errichtet, welche beide sowol für die Unterstützung der Decke gegen den Druck der angespannten Saiten, wie hinsichtlich der Güte und Gleichmäßigkeit des Tons von Wichtigkeit sind. Der zum Spielen solcher Instrumente nöthige Bogen besteht aus einem über eine Elle langen Stäbchen, das oben in den Kopf, ein ausgeschweiftes Holzklötzchen, endigt, in welchem wie in dem ähnlichen am andern Ende befindlichen Klötzchen, dem sogenannten Frosche, die Pferdehaare befestigt sind, welche den Bezug des Bogens bilden und mittels des durch eine Schraube beweglichen Frosches angespannt oder nachgelassen werden können.

Von allen diesen Instrumenten ist die Violine, Klein- oder Discantgeige, gewöhnlich schlechthin Geige (Fidel) genannt, das vollkommenste und angenehmste, sowie am meisten verbreitete. Sie wird mit vier Saiten bezogen, deren tiefste mit Silberdraht übersponnen ist, die in die Töne Viola Viola Viola Viola gestimmt werden und von denen die höchste schlechthin Quinte heißt; ihr Tonumfang ist in der neuern Zeit vom g bis zum viermal gestrichenen a gebracht worden. Im Orchester ist sie das Hauptinstrument, eignet sich aber gleich vorzüglich zum Solospiel und erlaubt jede Nuance des Tons, selbst den Unterschied zwischen zwei nebeneinander liegenden unharmonischen Tönen wie cis und des. dis und es auszudrücken, daher sie bei ihrem eindringlichen schönen Tone mehr als jedes andere Instrument mit dem Vortrage der menschlichen Stimme zu wetteifern im Stande ist. Über die Erfindung derselben herrscht Ungewißheit, doch entstand sie vermuthlich durch Vervollkommnung eines ähnlichen ältern, Viola genannten Instruments und war in Frankreich schon zu Karl des Großen Zeit bekannt. Am frühesten vervollkommnet wurde sie vermuthlich in Italien, und die alten von Antonio Stradivario, Giuseppo, Andrea und Pietro Guarnerio in Cremona, von Amati u. A. sind nebst denen von Jak. Stainer in Tirol die berühmtesten Übrigens ist die Violine seit 300 Jahren in ihrer jetzigen Form bekannt. Die ersten kunstmäßigen Lehrer des Violinspiels waren der Römer Corelli, welcher 1728 zu Padua eine Musikschule, die Hauptschule aller spätern Violinspieler, gründete, und der Florentiner Verazini. In der neuesten Zeit ist diese schwierige Kunst besonders nach Paganini's (s.d.) Beispiele zum Unerhörten vervollkommnet worden, allein auch mitunter in Künstelei ausgeartet. Zu den berühmtesten unter den lebenden Violinvirtuosen gehören Spohr, Lipinski, Möser und Ole Bull. – Etwas größer als die Violine ist die Viola di braccio, Bratsche oder Altgeige, von deren vier Saiten die beiden tiefsten übersponnen, und die eine Quinte tiefer als die Violine, nämlich in c Viola Viola Viola gestimmt sind. Die Noten für dieses Instrument, welches unter den Bogeninstrumenten dieselbe[610] Wichtigkeit wie der Alt oder Tenor unter den Singstimmen besitzt und bei der Orchestermusik von besonderer Wirkung und Nothwendigkeit ist, werden im Altschlüssel gesetzt und nur für die in obligaten Stimmen vorkommenden, das doppeltgestrichene e und f überschreitenden Töne wird der G-Schlüssel gebraucht. Die Bratsche hält hinsichtlich des Klangs und Umfangs ihrer Töne die Mitte zwischen der Violine und dem Violoncello oder der kleinen Baßgeige, welche zu Anfang des vorigen Jahrhunderts von dem Geistlichen Tardieu in Tarascon erfunden oder eigentlich durch Vervollkommnung der früher üblichen und jetzt ganz außer Gebrauch gekommenen Viola di gamba, Gambe oder Kniegeige hergestellt worden ist. Diese war kleiner und wurde beim Spielen nicht an die Schulter gesetzt, sondern ebenfalls, wie das Violoncell, senkrecht zwischen die Knie gestellt. Die vier Saiten des letztern werden eine Octave tiefer als die der Bratsche gestimmt und es nimmt die Mitte zwischen dieser und dem Contraviolon oder der Baßgeige ein. Dieser folgt es auch gewöhnlich in der Orchestermusik und hilft also die Grundstimme verstärken, wird aber auch zu obligaten Partien verwendet und ist in neuester Zeit durch große Virtuosen zu einem der wichtigsten Soloinstrumente geworden. Das größte Geigeninstrument endlich ist der Contraviolon, Violon oder Baßgeige, bestimmt, im Orchester die Grundstimme vorzutragen, wird in neuester Zeit aber, obgleich gegen seinen Charakter, ebenfalls zum Solospiel benutzt. Es wird gewöhnlich mit vier, doch auch mit fünf, sowie nur mit drei Saiten bezogen und eine Octave tiefer als das Violoncello gestimmt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 610-611.
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