Auto [1]

[186] Auto (spanisch-portug.), in Spanien und Portugal jeder öffentliche gerichtliche oder religiöse Akt (daher Autodafé, s. d.); insbes. Bezeichnung einer Art kurzer, einaktiger Schauspiele zur Verherrlichung kirchlicher Feste in Kirchen oder auf öffentlichen Plätzen. Hervorgegangen aus mittelalterlichen Mirakeln, Mysterien und Moralitäten, wurden Autos seit dem 12. und 13. Jahrh. eine Lieblingsunterhaltung der Menge und erhielten sich dauernd in der öffentlichen Gunst, bis sie um die Mitte des 18. Jahrh. als eine Profanation des Heiligen verboten und mit Mühe zurückgedrängt (1765), doch nicht ausgerottet wurden. Die ältesten sind einfache Darstellungen biblischer Stoffe, bestimmt zur Ausführung in der Weihnachtszeit und in der Osterepoche sowie an Gedenktagen von Heiligen. Die Autos al nacimiento (oder portug. Autos do Natal) haben die Geburt Christi zum Gegenstande, d. h. die Anbetung der Hirten; am Dreikönigsfest folgte oft als Nachspiel die Anbetung der heiligen Drei aus dem Morgenlande. Die seltenern Osterspiele feiern die Passion und Auferstehung Christi. Die erste Gattung war beliebter, weil sie Gesangs- und Tanzeinlagen nicht nur gestattete, sondern erforderte und überhaupt einem gesunden Humor Raum ließ. Zu Ende des 15. Jahrh. blühten die Hauptvertreter des Genres, der Spanier Encina (s. d.) und der Portugiese Gil Vicente (s. d.; vgl. »Ein portugiesisches Weihnachtsauto«, hrsg. von C. M. de Vasconcellos, Braunschw. 1881). In der Volksliteratur, besonders Portugals, haben sich diese dramatischen Aufführungen erhalten. Christspiele und Heiligenleben etc. werden noch in fliegenden Blättern gedruckt, in modernisierten Bearbeitungen gelesen und von Liebhabern in Provinzialstädten und auf dem Lande dargestellt: »A. de Santo Antonio«, »Santo Aleixo«, »Santa Catharina«, »Santa Barbara«, »Santa Genofeva«, »Dia do Juizo«, »Adam«, »Paixão« u. a. Später bemächtigten sich Kunst und Literatur des ergiebigen Stoffes: aus einfach sachlichen Darstellungen wurden allegorische und mystisch-symbolische. Das Meßopfer sollte verherrlicht werden. Das Fronleichnamsfest war der von der Kirche geheiligte Tag. Autos sacramentales oder Autos del Corpus Christi, als spezifisch spanisches Kunstgenre, wurden von den größten dramatischen Dichtern der Halbinsel mit besonderer Liebe gepflegt. Es erhielt seine Ausbildung zur Zeit des Lope (s. Lope de Vega), der allein 400 geschrieben haben soll. In dieser ausgebildetern Gestalt zerfielen die Autos in drei Abteilungen: eine Art Prolog oder Vorspiel (loa), die das Ganze einleitete, ein Zwischenspiel (entremes), von meist komischem, ja possenartigem Charakter, und in die eigentlich religiöse Darstellung (auto), die in ihrer Gesamthaltung ernst blieb. Ihre Ausführung am Fronleichnamsfest fand im Freien auf öffentlichen Plätzen und eigens dazu errichteten Gerüsten (tablados) statt, wo pomphafte Prozessionen Halt machten und die Schauspieler, die dem Zug auf geschmückten Karren folgten, unmittelbar nach den kirchlichen Handlungen der Priester ihre Darstellung begannen. Außer Lope zeichneten sich Montalvan, Tirso, Valdivielso u. a. als Verfasser solcher Opferdarstellungen aus, namentlich aber Calderon, der das Genre durch Tiefe seiner Auffassung, Feinheit der Durchführung und Pracht der Diktion in eine wahrhaft künstlerische Sphäre hob. Er hat 73 Autos sacramentales hinterlassen, sämtlich allegorischen Inhalts, die, durch ihr Gepränge, die Anwendung von Musik und künstliche Maschinerien an die heutige Oper erinnernd, in den Hauptstädten mit großem Aufwand in Szene gesetzt wurden (Madr. 1759–60, 6 Bde.). Eins der charakteristisch schönsten ist »Das Leben ein Traum« (»La vida es sueño«, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen weltlichen Schauspiel). Eine Sammlung von ungefähr 50 Autos sacramentales von acht Autoren bildet den 58. Band der »Biblioteca de autores castellanos«; ebenso viele gab Leo Rouanet heraus (Par. 1901–1902, 4 Bde.). Nur ganz vereinzelt bediente man sich des Titels A. auch zur Bezeichnung weltlicher Festspiele in Palästen, politischen Inhalts, zur Feier von Vermählungen, Friedensschlüssen etc. Mißbrauch ist es, wenn unerfahrene Volksdichter sogar nichtszenische Prosaerzählungen also benennen (»A. do Infante D. Pedro«; »A. da Padeira de Aljubarrota«).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 186.
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