Damaszēner Stahl

[435] Damaszēner Stahl (damaszierter Stahl), ein innig miteinander verschweißtes Gemenge verschiedener Stahlsorten, das beim Beizen der blank gefeilten und geschliffenen Oberfläche mit einer Säure eigentümliche, aus hellen und dunkeln Linien zusammengesetzte Zeichnungen (Damast, Damaszierung: Banddamast, Tabandamast mit gewässerten Linien, Rosendamast mit schraubenförmig gewundenen Rosen, Mosaikdamast mit sich wiederholenden Mustern) erhält, deren Entstehung aus der verschiedenen Widerstandsfähigkeit der Bestandteile gegen Säuren sich erklärt. Der Name wird gewöhnlich von der Stadt Damaskus hergeleitet, wo damaszierte Waren, besonders Waffen, von vorzüglicher Qualität gefertigt wurden. Das Wort damask bedeutet indes nur soviel wie bunt durchwunden, und die Stadt Damaskus soll ihren Namen dieser Grundbedeutung des Wortes um ihrer schönen Lage willen verdanken. D. S. ist sehr zäh, und dies beruht sowohl auf der Verwebung der Fasern als auch auf der Verbesserung des Materials durch das bei der Bereitung erforderliche fleißige Ausschmieden und Schweißen. Im Orient verarbeitet man sehr elastischen Stahl aus Golkonda mit sehr hartem und sprödem persischen Stahl und wickelt die rotglühenden Klingen zu langsamer Abkühlung in nasse Tücher oder steckt sie in trocknen Dünger. In Europa werden dünne Stäbchen von Schmiedeeisen und Stahl (oder auch von hartem und weichem Schmiedeeisen) zu einem Bündel parallel nebeneinander gelegt und zusammengeschweißt. Die erhaltene Stange wird in die Länge geschmiedet, in 2–3 Teile zerhauen, die man wieder auseinander legt und zusammenschweißt. Dies Verfahren liefert nach öfterer Wiederholung einen Stab aus wechselnden sehr dünnen Lagen von Eisen und Stahl. Wenn man nun den Stab rotglühend schraubenförmig um sich selbst windet und wieder glatt schmiedet, so kommen die Schraubenwindungen mehr oder weniger in eine gemeinschaftliche Ebene zu liegen, und beim Beizen des polierten Stahls erscheinen viele symmetrisch gestellte kleine Figuren, deren Linien um so zarter sind, je mehr beim Schmieden die Metalle zu seinen Fäden ausgearbeitet wurden. Man verwendet D. S. zu Klingen und Gewehrläufen. Der Materialaufwand zu diesen Läufen ist sehr groß wegen des beträchtlichen Abbrandes bei den vielen Schweißungen; ein fertiger Lauf von 1–1,5 kg erfordert manchmal 50 kg rohes Stabeisen. – Beim echten D. S. kann man die Zeichnungen abschleifen und dann durch Beizen von neuem hervorrufen, nicht so bei Nachahmungen, bei denen z. B. glänzende, etwas erhabene Zeichnungen auf mattem Grunde (damaszierte Arbeit) erhalten werden, wenn man auf einer sein polierten Stahlfläche alle Stellen, die blank bleiben sollen, mit einer Lösung von Ätzgrund in Terpentinöl bedeckt und den Stahl alsdann Salzsäuredämpfen aussetzt, welche die freien Stahlstellen mattbeizen (vgl. Ätzen).

Die sehr alte Herstellung des Damaszener Stahls wurde vielleicht durch Not veranlaßt, indem man aus Mangel an Stahl alte Eisenstücke zusammenschweißte. Herodots Kollesis bedeutet indes mehr eine Auflötung eines Metalls auf das andre, und der Erfinder dieses Verfahrens, Glaukos von Chios, kann daher nicht als Erfinder des Damaszierens genannt werden. Die zu Turin befindliche Isistafel ist eine Art Damaszierung. Alte Dolche und Schwerter deuten darauf hin, daß die Erfindung aus Nordindien stammt. Als unter Domitian Waffenfabriken zu Damaskus angelegt wurden und dieses sich zu einem Haupthandelsplatz erhoben hatte, erhielt das Damaszieren seinen jetzigen Namen. Durch die Kreuzzüge kam eine große Menge vortrefflicher Stahlarbeiten nach Europa, indes gelang es erst Clouet (1780–90), Bréant, Mille, Duc de Luynes (1835), Anosow (1841) und namentlich Crivelli (1820), Nachbildungen zu erzeugen, die den orientalischen Mustern weder in Güte noch in Schönheit der Form nachstehen. In Asien wird D. S. gegenwärtig besonders in Persien und weiterhin im Osten dargestellt. Vgl. Beck, Geschichte[435] des Eisens (2. Aufl., Braunschw. 1891ff.); Falke, Metall- und Schmuckarbeiten des Orients (in der »Zeitschrift für bildende Kunst«, Bd. 13); Hendley, Damascening on steel or iron as practised in India (Lond. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 435-436.
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