Deutscher Ostmarkenverein

[737] Deutscher Ostmarkenverein, gegründet 3. Nov. 1894 zu Posen als »Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken«, hat seinen jetzigen Namen seit 8. Mai 1899. Die Veranlassung zu seiner Gründung gab Bismarck, der, im September 1894 durch Deutsche aus den Provinzen Posen und Westpreußen in Varzin begrüßt, die Deutschen mahnte, ebenso einig zu sein wie die Polen und »den fortschrittlichen Speer ebenso wie den reaktionären zu erheben zur Abwehr der polnischen Gefahr«. Die drei Begründer waren Ferdinand v. Hansemann (s.d.), Landesökonomierat Kennemann (s.d.) und Rittergutsbesitzer v. Tiedemann-Seeheim (s.d.). Die Polen nennen den Verein nach den Anfangsbuchstaben dieser drei Männer »HKT-Verein«, seine Tätigkeit »hakatistisch«, seine Mitglieder und Anhänger »Hakatisten«, Wörter, die vollständig in den polnischen Sprachschatz übergegangen sind. Der Deutsche Ostmarkenverein hat sich die Aufgabe gestellt, das Deutschtum in den mit polnischer Bevölkerung durchsetzten Ostmarken des Reiches durch Hebung und Befestigung deutschnationalen Empfindens sowie durch Vermehrung und wirtschaftliche Stärkung der deutschen Bevölkerung zu kräftigen und zu sammeln. Die Tätigkeit des Vereins besteht: in der Beobachtung aller Fragen und Vorgänge auf nationalem Gebiet und Vertretung der deutsch-nationalen Interessen in der Öffentlichkeit durch geeignete Mittel, hauptsächlich auch gegenüber den Bestrebungen der polnischen Presse; in der Heranziehung Deutscher für den Erwerb ländlicher und städtischer Liegenschaften sowie deutscher Handwerker, Gewerbtreibender, Gastwirte, Kaufleute, Ärzte, Rechtsanwalte, Betriebsbeamten[737] und Arbeiter, wo solche fehlen; in der Kräftigung des deutschen Mittelstandes in Stadt und Land durch geeignete Mittel, insbes. auch durch Sicherstellung der Kundschaft und Kreditgewährung in Notfällen; in der Veranstaltung von Wanderversammlungen (deutsche Tage) zur Besprechung nationaler Angelegenheiten; in der Förderung des deutschen Schulunterrichts und deutschen Gottesdienstes; in der Unterstützung der katholischen Deutschen bei Wahrung ihrer deutschen Rechte; in der Begünstigung deutscher Vereine, in der Begründung ländlicher Darlehnskassen, deutscher Hilfskassen und deutscher Spar- u. Darlehnsgenossenschaften. Den praktischen Zwecken des Deutschen Ostmarkenvereins, der als unpolitischer Verein in seinen Reihen Anhänger aller politischen und wirtschaftlichen Parteien und Angehörige aller religiösen Bekenntnisse hat, dienen insbes. der »Stipendienfonds«, die »Dr. Ferdinand v. Hansemann-Stiftung« und die »Bismarck-Stiftung«. Aus den beiden ersten werden strebsamen jungen Leuten, bäuerlichen Wirten, Handwerkern, Gewerbtreibenden und Kaufleuten Stipendien zum Besuche gewerblicher Fachschulen gegeben; auch können aus ihnen ausnahmsweise Stipendien an Studenten bewilligt werden. Aus der »Bismarck-Stiftung« werden hilfsbedürftige Deutsche, insbes. Handwerker, durch Darlehen und Geldspenden unterstützt. Der Deutsche Ostmarkenverein hatte bis 1. Juli 1903 in Posen 60, in Westpreußen 44, in Ostpreußen 8, in Schlesien 49, im übrigen Deutschen Reich 141, insgesamt also 302 Ortsgruppen, bez. Sammelstellen mit rund 30,000 Mitgliedern. Sein Organ ist die seit 1896 erscheinende Monatsschrift »Die Ostmark«, die (seit 1899) der Geschäftsführer des Vereins, Alb ert Bovenschen (s.d.), herausgibt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 737-738.
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