Evangelische Allianz

[195] Evangelische Allianz (Evangelischer Bund, Evangelical Alliance), eine Vereinigung der protestantischen Kirchen und Sekten, namentlich Großbritanniens und Amerikas, zur Förderung der protestantischen Sache und zur Abwehr des römischen Katholizismus einerseits, des religiösen Indifferentismus anderseits. Nach vorbereitenden Schritten, zu denen Mitglieder der freien Kirche von Schottland unter Führung von Thomas Chalmers (s.d. 3) die erste Veranlassung gegeben hatten (Versammlung zu Liverpool 1.–3. Okt. 1845), wurde der Bund in einer von 921 christlichen Männern, Mitgliedern von 50 evangelischen Gemeinschaften aus allen Teilen der Erde, besuchten Versammlung zu London (19. Ang. bis 2. Sept. 1846) konstituiert. Grundsätzlich wurde dabei vereinbart, daß die E. A. keineswegs auf eine Union der einzelnen Konfessionen hinarbeiten, sondern lediglich durch freie Vereinigung von Individuen ein friedliches und freundliches Verhältnis zwischen ihnen anbahnen wolle. Als Grundlage der Vereinigung dienten neun, die Mitglieder der Allianz bindende, lateinisch verfaßte Artikel dogmatischen Inhalts (Societatis Evangelicae constitutionis et statutorum explicatio brevis). Während die E. A. in England große Teilnahme fand, vermißte in Deutschland die orthodoxe Partei die rechte Lehrfülle, die gemäßigten Parteien aber nahmen an den aufgestellten Formeln Anstoß. Nach Versammlungen in London 1851 und Paris 1855 bildete die 1857 in Berlin abgehaltene, von 1252 evangelischen Christen (darunter 278 Nichtdeutsche) besuchte Versammlung den Höhepunkt der Bewegung. Seit der Genfer Versammlung (1861), in der das methodistische Wesen überwog, zog sich die freisinnige Theologie Deutschlands, Frankreichs, Hollands und der Schweiz gänzlich von dem Bunde zurück, der auf den seither stattgehabten Versammlungen zu Amsterdam 1867, New York 1873, Basel 1879, Kopenhagen 1885 und Florenz 1891 allerdings einen Bund der Orthodoxen in den verschiedenen evangelischen Kirchen, nicht aber einen Bund aller evangelischen Christen darstellte. Eine kirchenpolitische Bedeutung hat die E. A., wenigstens in Deutschland, nicht mehr, eine religiöse nur noch in beschränkten Kreisen. Vgl. Massie, The Evangelical Alliance, its origin and development (Lond. 1847).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 195.
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