Gran [3]

[219] Gran (ungar. Esztergom, spr. éßter-, lat. Strigonium), königl. Freistadt mit geordnetem Magistrat, Sitz des gleichnamigen Komitats (s. oben), Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Wien-Marchegg-Budapest, G.-Léva und G.-Almás Füzitö, liegt am rechten Donauufer, oberhalb der am jenseitigen Ufer einmündenden Gran und ist Sitz eines Erzbistums sowie Residenz des Fürstprimas von Ungarn. G. hat 9 Kirchen, darunter die auf dem 66 m hohen Festungsberg sich erhebende, 1821–56 nach dem Vorbilde der Peterskirche in Rom und den Plänen Kühnels im italienischen Stil erbaute Basilika. Sie ist in der Mitte von einer über 70 m hohen Kuppel überwölbt, die von 24 Säulen getragen wird. Das mit vorspringenden, 57 m hohen Ecktürmen und reichem Statuenschmuck versehene Frontispiz ruht auf 10 korinthischen Säulen; das glänzend ausgestattete, von 54 Säulen getragene Innere enthält Freskomalereien, ein 13 m hohes Hochaltarbild vom Venezianer Grigoletti, ein andres Altarbild (die Taufe des heil. Stephan) von Hesz, eine prächtige Orgel von Moser und zwei berühmte Kapellen mit den Marmormonumenten des Erzherzog-Primas Karl Ambros d'Este (begonnen von Canova), des heil. Stephan und des Primas Pázmánys. Erwähnenswert sind die Bakóczkapelle im Renaissancestil (1507), die Gruft und die Schatzkammer. Den Dom und den Festungsberg umgeben zahlreiche bedeutende Gebäude, die Domkapitelgebäude, das Priesterseminar etc., darunter auch neue Prachtbauten, soz. B. das Primatialpalais mit dem Museum, in dem sich eine Bibliothek (mit nahezu 40,000 Bänden), ein Archiv, eine Gemälde-, Kupferstich- und Antiquitätensammlung befindet; die Kathedralsbibliothek enthält 64,000 Bände. G. hat (1901) 17,909 meist magyarische (romisch-kath.) Einwohner, die Acker- und Weinbau, Gewerbe und lebhaften Handel, eine Eisengießerei und Ziegelfabrikation betreiben. G. besitzt eine Propeller-Schiffahrtgesellschaft, mehrere Geldinstitute, zahlreiche Lehr- und Bildungsanstalten (Seminar, Benediktiner-Obergymnasium, städtische Realschule, erzbischöfliche Präparandie und erzbischöfliches Mädcheninstitut etc.), 4 Klöster, ein erzbischöfliches Waisenhaus, 3 Krankenhäuser, ein Kapitelbad und mehrere Mineralquellen. G., dessen Hauptbahnhof der nördlichen Bahnlinien in G.-Nána am linken Donauufer liegt, ist mit dem gegenüberliegenden Markt Párkány (1901: 2836 magyarische Einwohner) durch eine stehende Brücke von 480 m Länge verbunden. – G., von einigen für das Salva der Romer gehalten, ist sehr alt und die Wiege des Christentums in Ungarn. Es war schon im 10. Jahrh. eine ansehnliche Stadt (vielleicht die »Etzelburg« des Nibelungenliedes) später die Residenz des Ungarnherzogs Geysa, dessen Sohn, der heil. Stephan, hier geboren, getauft und 15. Aug. 1001 gekrönt wurde. Dieser gründete 1001 das Erzbistum. Mit Kirchen und Palästen und einer starken Bevölkerung ausgestattet, war aber G. nicht nur der Sitz des Erzbischofs von Ungarn, sondern auch zugleich einer der bedeutendsten Handelsplätze des Landes, als dessen Bewohner Ungarn, Deutsche und Italiener urkundlich genannt werden. Diese Blüte vernichtete die Zerstörung der Stadt durch die Tataren 1241. Der König Béla IV. tat zwar viel zur Wiederherstellung der Stadt; allein G. erreichte seinen alten Glanz nicht wieder, da Ofen als Residenzstadt an seine Stelle trat. 1543 kam die Stadt unter die Botmäßigkeit der Türken, denen sie erst 1683 unter Leopold I. auf immer wieder entrissen wurde. In der Zwischenzeit war das Erzbistum nach Tyrnau verlegt worden, während der Erzbischof dort und in Preßburg seinen Sitz nahm, bis beide 1820 nach G. zurückkehrten. Der Erzbischof von G. ist seit 1291 Primas und seit 1715 zugleich Fürst-Primas von Ungarn: eine Würde, die der Erzbischof Christian August, Herzog von Sachsen, vom Kaiser Karl VI. für alle seine Nachfolger auswirkte. Kaiser Joseph I. erhob G. 1708 zur königlichen Freistadt. Zur Zeit der fränkischen Herrschaft wurde der Ort Osterringun genannt (= »gen Osten gelegener Ring« der Avaren); daraus haben die Ungarn Esztergom, die Slawen Osirihom gemacht, und hieraus ist ihr ungarisch-lateinischer Name Strigonium entstanden. Der antikisierende Name Istropolis (Donaustadt) oder Istrogranum (Donau-Granstadt) ist ohne historischen Wert. Vgl. L. Körösi, Führer durch Gran und Umgebung (Würzb. 1893); Knauz, Monumenta Ecclesiae Strigoniensis (1874, 3 Bde.); Dankó, Der Domschatz von G. (Leipz. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 219.
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