Heimstättegesetze

[86] Heimstättegesetze sind Gesetze, die den bäuerlichen Besitz zu sichern bestimmt sind und zu dem Zweck das Verfügungsrecht des Besitzers beschränken. Zu unterscheiden sind: Heimstätte-Exemtionsgesetze (Homestead-exemtion laws), nach denen die Heimstätte bis zu einer gewissen Flächengröße (40–500 Acres in einigen Staaten von Nordamerika) oder bis zu einer bestimmten Höhe des Wertes (300 Doll. in Pennsylvanien, 5000 Doll. in Kalifornien, Texas, Nevada, Arizona, Idaho) nebst bestimmt genanntem beweglichen Besitz (in Nordamerika bis zu einer Werthöhe von 100–1600 Doll.) gegen gerichtlichen Zwangsverkauf dadurch geschützt, »eximiert«, ist, daß sie, mit gewissen Ausnahmen, von keinem Gläubiger angegriffen, versteigert und beschlagnahmt und ohne Einwilligung der Ehefrau auch nicht freiwillig verkauft und verpfändet werden kann. Ferner H. im weitern Sinne, die mit diesem Zweck noch den weitern verbinden, den Bauern erst einen Hof zu schaffen, ihm eine Heimstätte anzuweisen (Ansiedelungs-, Grundaufteilungsgesetz, Homestead-law in den Vereinigten Staaten). Derartige Gesetze gibt es gegenwärtig in den meisten Staaten der nordamerikanischen Union, in Kanada, Australien, Rumänien, Serbien, in der Türkei, teilweise auch in China. Als 1837–39 infolge einer amerikanischen Bankkrisis viele Farmer zahlungsunfähig wurden und mit ihren Sklaven vor den Gläubigern nach Texas flohen, das damals noch nicht zur Union gehörte, verschaffte die Regierung dieses Landes den Einwanderern Sicherheit durch Erlaß eines Heimstätte-Exemtionsgesetzes (1839). Diesem Beispiel folgten später fast alle andern Staaten. Seit 1862 besteht auch für die Union ein allgemeines Heimstättegesetz, nach dem jeder Ansiedler 80–160 Acres Land als Heimstätte mit der Bestimmung zugeteilt erhält, daß, solange der Kaufbrief nicht ausgefolgt ist (in der Regel während der ersten fünf Jahre des Besitzes), dieselbe für Schulden nicht haftbar gemacht werden kann. Sobald der Ansiedler Volleigentümer geworden ist, tritt das Unionsgesetz für ihn außer Kraft, und es kommen nun die Heimstätte-Exemtionsgesetze der einzelnen Staaten in Anwendung. Die kanadischen H. sind denen der Vereinigten Staaten nachgebildet. Rumänien schützte durch das Bauernemanzipationsgesetz vom 14. Aug. 1864 für die Dauer von 30 Jahren die Grundeigentümer gegen Verschuldung. Nach dem serbischen Heimstättegesetz vom 24. Dez. 1873 sind 2 Morgen Land und das Haus unbedingt frei, und bei gewöhnlichen Schulden dürfen 5 Morgen nebst Zubehör nicht gepfändet werden. Der Grundgedanke der H. hat auch viele Anhänger in Deutschland und Österreich gefunden. Man will durch die Unteilbarkeit der Heimstätte und durch die Bestimmung, daß dieselbe durch Erbgang nur auf einen Miterben übertragen werden kann, den Grundbesitz der Familie erhalten. Ein vom Kammerherrn v. Riepenhausen 1890 ausgearbeiteter Heimstättengesetzentwurf wurde 1892 im deutschen Reichstag eingebracht und die Regierung 1894 vom Reichstag um die Vorlage eines Gesetzentwurfes ersucht, allein der Bundesrat ging auf die Anregung nicht ein. Ein neuer Initiativantrag ist aber (Dezember 1903) im Reichstag eingebracht worden. Dagegen ist 1898 ein Heimstättegesetz von der französischen Deputiertenkammer angenommen worden, durch das der Erwerb und die Erhaltung des kleinbäuerlichen Besitzes erleichtert werden soll. Vgl. R. Meyer, Heimstätten und andre Wirtschaftsgesetze der Vereinigten Staaten, von Kanada, Rußland, China, Indien, Rumänien, Serbien und England (Berl. 1883); K. Peyrer von Heimstätt, Denkschrift betr. die Erbfolge in landwirtschaftliche Güter und das Erbgüterrecht (Wien 1884); Buchenberger, Die Heimstättefrage (im »Archiv des deutschen Landwirtschaftsrats«, 1891); v. Riepenhausen-Crangen, Gesicherte Familienheimstätten im Deutschen Reich (5. Aufl., Leipz. 1891), Schriften von Ofner (Wien 1886), Neese (Berl. 1890), Schneider (Hamb. 1891), E. A. Schröder (Leipz. 1896) u. a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 86.
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