Kupfervergiftung

[844] Kupfervergiftung (Kuprismus, Äruginismus), Vergiftung durch Aufnahme von löslichen Salzen oder Verbindungen des Kupfers, die im Magensaft gelöst werden. Hauptsächlich kommen bei K. Kupfervitriol und essigsaures Kupfer (Grünspan) in Betracht. In der Küche geht bei Anwendung kupferner oder messingener Kochgeschirre leicht Kupfer in saure und fette Speisen über, wenn diese in dem Geschirr längere Zeit stehen bleiben (vgl. Kupfer, S. 832). Eine 9 Proz. Kupfer enthaltende Verbindung, das phyllocyaninsaure Kupfer, pflegt bei Berührung chlorophyllhaltiger Pflanzenteile mit Kupferlösungen zu entstehen und ist in grün gefärbten Konserven (Bohnen, Pfeffergurken, Mixed pickles, denen absichtlich zur Erzeugung einer schönen Färbung ein geringer, unschädlicher Kupfergehalt gegeben wird) enthalten. Kupfervergiftungen verlaufen meist günstig, weil der Magen auf Zufuhr größerer Mengen von Kupfersalzen schleunigst mit Erbrechen reagiert und auf diese Weise die größere Menge des Giftes wieder fortgeschafft wird. Die akute Vergiftung durch Ätzung läßt eine grüne[844] Färbung und die Spuren einer geschehenen Ätzung der Schleimhaut, Geschwürsbildung auf der Schleimhaut des Magens und des Darmkanals erkennen. Sie tritt nur ein bei Einverleibung von großen Dosen ätzender Kupfersalze. Es entstehen dann zusammenziehender, ekelhafter Metallgeschmack, Gefühl von Zusammenschnürung im Schlund und Magen, Übelkeit und Erbrechen von grünen, kupferhaltigen Massen, Auftreibung und Schmerzhaftigkeit des Unterleibes, Diarrhöen, große Schwäche, Atemnot, kleiner, schneller Puls, Angst, großer Durst, Ohnmachten, Hirnbeschwerden, Delirien, Schwindel, Kopfschmerz, Betäubung und Schlafsucht, zuletzt Kälte der Glieder, selbst Konvulsionen und allgemeine Lähmung. Je nachdem der Magen angefüllt oder leer ist, oder das Gift mit Speise gemengt eingeführt wird, erscheinen die Symptome früher oder später. Gewöhnlich ist bei starken Dosen der Verlauf ein sehr schneller, schon nach einigen Stunden kann der Tod erfolgen. Die durch Aufnahme des Kupfers ins Blut erfolgenden Vergiftungserscheinungen zeigen sich teils als heftiges Ergriffensein des Gehirns und Rückenmarks, teils als sogen. Kupferkolik. Die Behandlung der akuten K. vesteht in Entfernung des Giftes durch möglichst rasches und energisches Auspumpen des Magens mit Wasser, dem Ferrocyankalium zugesetzt ist, so daß sich unlösliches rotbraunes Ferrocyankupfer bildet, das mit dem Spülwasser abfließt; man gibt reichlich warmes Eiweißwasser und gebrannte Magnesia, macht kalte Überschläge auf den Kopf, legt Senfteige etc. Die chronische K. (Kupferkolik) tritt am häufigsten als Gewerbekrankheit bei Arbeitern auf Kupferhämmern, bei Gelb- und Rotgießern, mehr noch bei Tapetenfabrikanten, Malern (Staub von kupferhaltigen Farben) auf, bei denen in der Regel längere Zeit vorher schon die Haare, das Gesicht, die Augen und Zähne allmählich eine grünliche und grünlichgelbe Färbung annehmen. In dem Grade, wie diese charakteristische Färbung zunimmt, nehmen auch die innern Gewebe an derselben teil, was sogar an den Knochen und am Gehirn sehr deutlich zu erkennen ist. Diese Kupferdyskrasie kann längere Zeit bestehen, ohne auffallende Störungen in den Verrichtungen der Organe hervorzurufen. Allmählich aber klagen die mit Kupfer durchsetzten Arbeiter über Schwäche und Entkräftung. Wird die Zufuhr des Giftes nun gehemmt und dasselbe aus dem Körper entfernt, so tritt bald Genesung ein. Im andern Falle leiden zuerst die Verdauungsorgane. Der Appetit vermindert sich, der Geschmack wird schlecht, Stuhlgang verhalten, oder es tritt Diarrhöe ein. Zuweilen entsteht Schnupfen und ein Bronchialkatarrh mit grünlichem Auswurf, der durch heftiges Husten hervorbefördert wird. Auch diese Erscheinungen können gehoben werden; schwierig ist aber die Heilung, wenn Schmerzen im Unterleib eintreten, die den Charakter der Kolik an sich tragen, wenn sich Erbrechen, Beklemmung, allgemeines Unwohlsein, Durchfälle mit Stuhlzwang dazu gesellen. Der Leib ist dann sehr gespannt, äußerst empfindlich, der Puls schnell und klein, heftiger Kopfschmerz ist vorhanden. Die Kranken sind sehr traurig und magern sichtlich ab. Die Dauer dieses Zustandes ist in der Regel 7–14 Tage und kann zum Tode führen; es kann jedoch auch Genesung erfolgen. Die Behandlung besteht vor allem in Entfernung des Kranken aus der Kupferatmosphäre, Reinigung des Körpers von den anhängenden Kupferteilen durch warme Bäder und durch Anwendung heißer Bäder und Schwitzkuren. Im übrigen wird man auf den Leib warme Breiumschläge machen lassen und gibt endlich Opiate, gegen das Erbrechen kohlensäurehaltige Getränke, auch Zitronensaft und Morphium, dabei eine leichtverdauliche, aber nahrhafte Diät. Vgl. Tschirch, Das Kupfer vom Standpunkt der gerichtlichen Chemie etc. (Stuttg. 1893).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 844-845.
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