Nadelholzzone

[370] Nadelholzzone, der vorwiegend von winterharten Koniferen gebildete Waldgürtel zwischen der arktischen Baumgrenze und der Laubholzzone (s. d. und Waldpflanzen). Südlich von der Baumgrenze herrschen in Europa, Sibirien und Kanada Lärchen, Fichten und Kiefern vor. Die Südgrenze der Zone verläuft vom südlichen Skandinavien über den Oberlauf der Wolga nach Sibirien (unter 55° nördl. Br.) bis zum Amur und folgt in Amerika ungefähr dem 50. Breitengrad. Der oft sehr reichliche Harzgehalt der Nadelhölzer bedingteine hervorragende Widerstandsfähigkeit gegen Kälte; auch die immergrüne Benadelung, mit der eigentümliche, anatomische Einrichtungen Hand in Hand gehen, schützt gegen niedrige Temperaturen und anhaltende Dürre; übrigens wirft die am weitesten nach Norden vordringende Nadelholzgattung, die Lärche (Larix), ihre Nadeln alljährlich ab. Larix decidua steigt in den Alpen und Karpathen bis 3000 m empor und bildet teils allein, teils in Gesellschaft von Fichten und Zirbelkiefern die obere Grenze der Baumregion. Larix sibirica geht in Sibirien bis gegen 69° nordwärts und greift über den Ural bis zum Onegasee; eine dritte, in Kamtschatka und Daurien wachsende Lärche (L. dahurica) erreicht bei 72° ihren nördlichsten Punkt. Die beiden Hauptcharakterbäume der europäischen N. sind die Fichte (Picea excelsa) und die Kiefer (Pinus silvestris). Erstere erreicht ihre Nordgrenze in Norwegen bei 67° und im östlichen Finnmarken bei 69°, letztere geht in Norwegen bis 70°; weiter östlich in Rußland fallen die Nordgrenzen beider Bäume im allgemeinen zusammen, indem sie auf der Halbinsel Kola sich an dem Südufer des Flusses Ponoj entlang ziehen und dann weiter nach Osten ungefähr dem Polarkreis folgen. Die in Irland, England, dem französischen Tiefland, Belgien, Holland und Dänemark nicht einheimische Kiefer kommt in Torfmooren an mehreren Orten dieser Gebiete in subfossilem Zustande vor, so daß die gegenwärtige Lücke ihres Verbreitungsgebiets während älterer postglazialer Perioden nicht bestanden zu haben scheint. Die von der gewöhnlichen Fichte nur als Varietät zu unterscheidende sibirische Fichte (Picea obovata) kommt im nördlichen Norwegen stellenweise mit der Hauptform vermischt vor, bildet auf Kola größere Bestände und verbreitet sich jenseit des Urals bis an das Ochotskische Meer. In Skandinavien und Finnland geht an Stelle der Nadelhölzer die nordische Weißbirke am weitesten nach Norden, die Wälder bestehen jedoch vorherrschend auch hier aus Fichten und Kiefern. Im Norden der russischen N. greift die Tundra mit ihrer kärglichen Pflanzendecke (s. Arktische Flora) vielfach zwischen die Wälder ein, im S. bildet die Eichenzone die Grenze. Die Waldzone des nordamerikanischen Kontinents beginnt auf der Halbinsel Alaska mit spärlichen Waldinseln (von Picea sitchensis) und spannt sich von da in weitem Bogen durch das Mackenziegebiet um die Hudsonbai bis Labrador und Neufundland. Die nördliche [370] Grenze der Nadelhölzer wird von der Weißfichte (Picea alba) gebildet; etwas südlicher folgt die amerikanische Lärche (Larix americana). Von Laubhölzern geht auch hier eine Birkenart (Betula papyracea) am weitesten nach Norden. Bedeutende Bestände bildet auch die Schwarzfichte (Picea nigra) von Neufundland bis zum nördlichen Kolumbien und bis zur Eismeerküste; bis zur Mündung des Mackenzie geht eine Kiefernart (Pinus Banksiana). An der Nordgrenze der amerikanischen N. greift vielfach die Tundraformation in den Wald ein, die Südgrenze wird wie in Osteuropa von Eichenwaldungen umsäumt. In pflanzengeographischer Hinsicht ist für die N. der nördlichen Halbkugel das zirkumpolare Vorherrschen der Gattungen Pinus, Larix, Picea und Betula besonders hervorzuheben, das mit dem arktotertiären Ursprung der borealen Wälder in Beziehung steht (s. Waldpflanzen); auf der östlichen und westlichen Halbkugel sind es die nämlichen Gattungen, die hervorragend winterharte Baumformen bis an die hochnordische Tundren vorgeschickt haben. Teils sind die nördlich am weitesten vordringenden Waldelemente bereits in der Pliocänzeit vorhanden gewesen (wie Pinus silvestris, Larix europaea, Picea excelsa), teils mögen sie aus tertiären Stammformen erst nach der Eiszeit entstanden sein.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 370-371.
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