Oudinot

[262] Oudinot (spr. udinō), 1) Nicolas Charles, Herzog von Reggio, Marschall von Frankreich, geb. 25. April 1767 in Bar-le-Dur (Maas), gest. 13. Sept. 1847, Sohn eines Kaufmanns. trat im Alter von 17 Jahren in das Regiment Médoc. 1791 Kommandant eines Bataillons der Freiwilligen, mit dem er 1792 Bitsch gegen die Preußen verteidigte, hierauf Oberst, ward er in solne der glänzenden Tapferkeit, mit der er sich 23. Mai 1794 bei Morlautern vier Stunden lang gegen 10,000 Mann behauptete, zum Brigadegeneral befördert. Bei Neckerau 18. Okt. 1795 verwundet und gefangen, bald aber ausgewechselt, ward er 1799 zum Divisionsgeneral ernannt und trug viel zu dem Siege bei Zürich bei. Chef des Generalstabs bei Masséna, hielt er mit diesem 1800 die Belagerung von Genua aus. 1805 zeichnete er sich trotz schwerer Verwundung bei Austerlitz aus. Am 16. Febr. 1307 siegte er bei Ostrolenka und hielt 14. Juni bei Friedland die russische Armee so lange in Schach, bis Napoleon mit der Hauptmacht heran kam, um den Sieg zu vollenden. Während dieses Feldzugs erhielt er vom Kaiser den Grafentitel mit einer Dotation von 1 Mill. Frank in Gütern. Am 19. April 1809 siegte er an der Spitze seines Grenadierkorps über die Österreicher bei Pfaffenhofen, 1. Mai bei Ried, am 3. bei Ebersberg und rückte am 13. in Wien ein. Bei Aspern und Wagram zeichnete er sich so aus, daß ihn Napoleon zum Marschall und Herzog von Reggio ernannte. 1810 besetzte er Holland und blieb daselbst als Oberbefehlshaber fast zwei Jahre. Im russischen Feldzug 1812 wurde er an der Spitze des 2. Korps 17. Aug. bei Polozk durch eine Kanonenkugel schwer verwundet; er focht bei Borissow und an der Beresina, wo er einen Teil der Heerestrümmer rettete. Im August 1813 erhielt er den Oberbefehl über das 4., 7. und 12. Korps, im ganzen 65,000 Mann, um damit gegen Berlin vorzudringen; da er aber von Bülow 23. Aug. bei Großbeeren geschlagen wurde, mußte er den Oberbefehl an Ney abgeben. Bei Leipzig befehligte er zwei Divisionen der jungen Garde und bei dem Rückzug an den Rhein die Arrieregarde. 1814 übernahm er wieder das Kommando der jungen Garde und focht bei Brienne, Champeaubert, Nangis, Bar-für-Aube und Arcis, wo er zum 23. Male verwundet wurde. Nach Napoleons I. Abdankung unterwarf er sich Ludwig XVIII., der ihm die Würde eines Pairs und Staatsministers verlieh. Im spanischen Feldzug 1823 übernahm O. das Kommando eines Armeekorps.[262] Später schloß er sich der Julidynastie an und ward von Ludwig Philipp 1839 zum Großkanzler der Ehrenlegion, 1842 zum Gouverneur des Invalidenhauses ernannt. Er war ein kühner Soldat, ein Mann von edlem und reinem Charakter, ein zuverlässiger Korpskommandant, aber kein Feldherr. Seine Vaterstadt errichtete ihm eine Statue. Vgl. Nollet, Histoire de Nic.-Charles O. (Par. 1850); Stiegler, Le maréchal O. duc de Reggio (das. 1894).

2) Nicolas Charles Victor, Herzog von Reggio, Sohn des vorigen, geb. 3. Nov. 1791 in Bar-le-Due, gest. 7. Juli 1863, war 1805–09 Page Napoleons I., trat dann in die Armee, wohnte seit 1809 den Feldzügen des Kaisers bei und ward von demselben kurz vor dessen Abdankung zum Obersten ernannt. Um seinen jüngern Bruder, August, der als Oberst eines Kavallerieregiments bei Macta in Algerien 26. Juni 1835 gefallen war, zu rächen, ging er nach Afrika und ward daselbst zum Generalleutnant befördert. Seit 1842 war er Mitglied der Deputiertenkammer, wo er mit Thiers stimmte. Im April 1849 erhielt er den Oberbefehl der für Rom bestimmten Interventionsarmee und nahm dieses 1. Juli ein. In der Gesetzgebenden Versammlung schloß er sich den Orléanisten an, ließ sich von den 200 Deputierten, die gegen den Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 protestierten, zum Kommandeur der Truppen gegen Napoleon ernennen und ward daher verhaftet, doch 8. Dez. wieder in Freiheit gesetzt. O. trat auch als militärischer Schriftsteller auf. – Der jüngste Sohn des Marschalls, Henry, geb. 3. Febr. 1822, wurde gleichfalls französischer General und starb 28. Juli 1891.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 262-263.
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