Rückenmarkserschütterung

[218] Rückenmarkserschütterung (Commotio spinalis), eine nach Eisenbahnunfällen, deshalb besonders oft bei Lokomotivführern, Schaffnern etc. beobachtete Krankheit, die 1866 in England von Erichsen zuerst beschrieben und von ihm Railway-spine (Eisenbahnrückgratslähmung) genannt wurde. Kranke dieser Art sind äußerst reizbar, sie schlafen schlecht, und oft werden sie fortgesetzt von der Erinnerung an die durchlebte Unglückskatastrophe geplagt. Wenn auch das Denken leidet, so daß sich z. B. bei den Kranken Gedächtnisschwäche zeigt, so ist doch die Intelligenz ungestört. Die Kranken klagen nach dem Unfall über andauernden Kopfschmerz, oft mit Ohrensausen, Schwindel u. Erbrechen verbunden, sie haben Schmerzen im Kreuz, in schwerern Fällen ist das Gefühl der Haut und Schleimhäute mindestens abgestumpft (sensorische Anästhesie), auch wird eine konzentrische Beschränkung des Gesichtsfeldes beobachtet. In andern Fällen ist die Haut überempfindlich. Die Sehnenreflexe sind meist gesteigert, Hautreflexe erhöht. In den schwersten Fällen verursachen aktive Bewegungen Schmerzen, die Blasenfunktion ist gestört, die Potenz geht verloren, auch können wirkliche Lähmungen hinzutreten, z. B. von Arm und Bein einer Seite. Nach Charcot ist das ganze Leiden eine männliche Hysterie; doch entdeckte man später, daß bestimmte anatomische Veränderungen den Krankheitserscheinungen zugrunde lagen. Die Behandlung kann nur eine symptomatische sein, Elektrizität bei Lähmungen, Bäder, Massage, bei Eisenbahnbeamten Einstellung des Fahrdienstes.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 218.
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