Schießen

[760] Schießen, allgemein das Forttreiben von Geschossen mit Hilfe einer bewegenden Kraft, seit dem 15. Jahrh. vornehmlich der Explosivkraft des Schießpulvers. Die Bahn des Geschosses (s. Flugbahn) ist von so vielen Verhältnissen abhängig, daß man nicht von Gewißheit, sondern nur von Wahrscheinlichkeit des Treffens sprechen kann. Die Umstände, welche die Treffähigkeit beeinflußen, sind etwa: 1) Veränderungen an der Waffe, besonders der Seele und Visiereinrichtungen, die beim S. eintreten und nicht konstant bleiben; 2) ungleiche Beschaffenheit des Pulvers und des Geschosses; 3) ungleiche Bedienung beim Laden, Richten, Abfeuern und Reinigen der Waffe; 4) Temperatur, Luftdichtigkeit, Windstärke und -Richtung; 5) Festigkeit des Geschützstandes; 6) Art und Beweglichkeit des Zieles. Je mehr sich diese Einflüsse im Laufe des Schießens gleichbleiben, um so mehr können die daraus hervorgehenden Fehler unschädlich gemacht werden. Soweit letztere in der Waffe liegen, werden sie durch das Einschießen derselben festgestellt und beseitigt. Das richtige Schätzen der Entfernung vom Ziel fördert zwar die Treffwahrscheinlichkeit; da aber die ablenkenden Einflüsse hierbei außer Rechnung bleiben und stets wechseln, so ist die erschossene Entfernung der wirklichen nicht immer gleich, woraus der bedingte Wert der Entfernungsmesser für das S. hervorgeht, von denen man heute in allen Arten des Krieges Gebrauch macht, da sie sehr handlich konstruiert sind; trotzdem ist das Schätzen der Entfernung mit dem Auge oder das Abmessen von Karten nicht zu entbehren. Ebenso bedarf es bei jedem S. der andauernden Beobachtung der Wirkung. Bei der Artillerie wird jeder einzelne Schuß nach der Lage der Sprengwolke des Geschosses zum Ziel beobachtet und zunächst derart geschossen, daß ein Schuß davor und einer dahinter liegt (Gabelschießen), worauf nach einfachen in den betreffenden Schießvorschriften enthaltenen Schießregeln die Schüsse durch Änderung der Aufsatzstellung nach und nach dem Ziel genähert werden. Die Leistungen der Geschütze zeigen die in den Schießvorschriften enthaltenen Schußtafeln. – Beim S. der Infanterie ist die Wirkung nur selten durch Geschoßaufschläge im Ziel zu erkennen, vielmehr muß der Gegner dauernd mit dem Fernglas beobachtet werden, auch ist die feindliche Feuerwirkung ein Anhalt für die eigne. S. Richtmethoden, Flugbahn. Vgl. Berlin, Handbuch der Waffenlehre (Berl. 1904); Wille, Waffenlehre (3. Aufl., das. 1905, 3 Bde.); Korzen und Kühn, Waffenlehre (Wien 1904 ff.); Groß, Die Berechnung der Schußtafeln (Leipz. 1901); Brandeis, Der Schuß (das. 1896); Rohne, Schießlehre für Infanterie (2. Aufl., Berl. 1906); Sabudski, Die Wahrscheinlichkeitsrechnung, ihre Anwendung auf das S. und auf die Theorie des Einschießens (deutsch, Stuttg. 1906), sowie die Literatur bei den Artikeln »Geschütz, Handfeuerwaffen, Maschinengewehr und Jagdgewehre«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 760.
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