Sokotra

[572] Sokotra (Sokotŏra, verderbt aus dem griech. Dioskorides), brit. Inselgruppe, umfassend die Hauptinsel S., Abd el Kuri und zwei Eilande (Darsa und Samha), 370 km südlich von Arabien und 240 km östlich vom Kap Guardafui (Ostspitze Afrikas), 12°19'–12°45' nördl. Br. und 53°23'–54°36' östl. L. S. selbst ist 140 km lang, 30–38 km breit, 3579 qkm groß (also etwa so groß wie Oberhessen) mit 10–12,000 Einw. Die Insel besteht aus Kalksteinen der Kreide- und ältesten Tertiärzeit, die aus den Schalen der Hippuriten, Nummuliten und Alveolina aufgebaut sind, auf granitischen Bildungen, die zum Teil als Spitzen durch die Kalksteindecke hervorragen (Dschebel Hagier 1420 m). Außerdem treten vulkanische Bildungen zutage, die denen Adens gleichen. S. ist trotz des nach Afrika und Arabien zu mehrere hundert Faden tiefen Meeres der Rest einer Landverbindung zwischen beiden, die seit dem Tertiär gelöst ist. Das feuchte und heiße Klima (21–30°) hat eine große Regenzeit, April bis Juli, und eine kleine, Oktober bis Dezember, nur während des Nordostmonsuns (Oktober bis April) ist es kühler. In der Flora schließt sich S. an Arabien und Afrika an, hat, während im W. Wüstenvegetation herrscht, im O. Gebirge mit üppiger Vegetation und starkem Graswuchs; charakteristisch: arabische Balsambäume Boswellia und Balsamodendron neben der endemischen Aloë socotrina, Drachenbäume (Dracaena), Gurkenbäume (Dendrosicyos) mit tonnenförmigen Stämmen und eine ähnliche Apozynee von Afrikas Ostküste, das Adenium multiflorum. Die Fauna zeigt Verwandtschaft mit der Mittelmeer- und der äthiopischen Region und weist nur von Vögeln und Reptilien einheimische Arten auf, nicht von Säugetieren, Fröschen und Süßwasserfischen. Die Bevölkerung besteht aus Beduinen im innern Berglande, den ältesten Bewohnern der Insel, einem kräftigen Menschenschlag, der den südarabischen Dialekt der Mahra, das Ehkili oder Mehri, spricht, aus Arabern, die an der Nordküste Handel (mit Ostindienfahrern, Walfischfängern), Viehzucht und etwas Ackerbau treiben, und aus Suaheli und Indern. Allgemeine Sprache ist das Arabische, die Religion die mohammedanische, nachdem bis zum 17. Jahrh. nestorianische Christen dort gewohnt hatten. Hauptort ist Tamrida, im N., mit Reede und 100 Einw., Kallansija im NW. ist Verbannungsplatz. S. und die benachbarten Inseln werden von einem Sultan regiert, stehen seit 1886 unter britischer Oberhoheit und werden politisch zu Aden, d. h. zu Britisch-Indien gerechnet. – Die im Altertum Dioskorides genannte Insel wurde 1506 von den Portugiesen besetzt, doch schon 1510 vom Scheich von Keschin genommen. 1835 machten die Engländer die Insel zu einer Kohlenstation, gaben sie aber wegen des ungesunden Klimas 1839 auf, erwarben sie zum zweitenmal 1876 durch Vertrag mit dem Scheich und nahmen sie 1886 offiziell von Aden aus, zu dem sie administrativ gehört, in Besitz. Schweinfurth erforschte sie 1881. Vgl. Robinson, S., a description of the island (Lond. 1878); Schweinfurth, Das Volk von S. (in »Unsere Zeit«, 1883); Forbes, The natural history of S. and Abd-el-Kuri (Liverpool 1903); Kossmat, Geologie der Inseln S., Semba etc. (Wien 1902); D. H. Müller, Die Mehri- und Soqotri-Sprache (Wien 1902–05, 2 Tle.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 572.
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