Takelung

[288] Takelung (Takelage; hierzu Tafel »Takelung der Seeschiffe I u. II«, mit Erklärungsblatt), die Vorrichtung zum Anbringen und Handhaben der Segel auf einem Schiff: die Masten, Rahen, Segel und das Tauwerk (meist aus Drahttau, Hanf-, seltener Basttau oder Grastauwerk). Nach den verschiedenen Takelungen unterscheidet man bei den Seeschiffen: Fünfmaster, Viermaster (mit Jiggermast als hintersten); Voll- oder Fregattschiffe (drei Masten, alle mit Rahetakelung, Fig. 2); Barken (drei Masten, Fock- und Großmast mit Rahetakelung, Besanmast Gaffeltakelung, Fig. 5); Schonerbarken (nur der Fockmast Rahetakelung, Groß- und Besanmast Gaffeltakelung, Fig. 4); dreimastige Schoner; Briggen (zwei Masten, beide mit Rahen, Fig. 3); Schonerbriggen (auch Voll- oder Raheschoner; Fockmast mit Rahen, Großmast mit Gaffeltakelung, Fig. 6); Brigantine, Brigantino-Goletta; Schoner (beide Masten mit Gaffeltakelung, Fig. 7); Kutter (einmastig mit Gaffeltakelung, Fig. 8); Yawltakelung (bei Fischerfahrzeugen und [288] Segeljachten, ähnlich dem Kutter, doch mit kleinem Treibermast hinten, Fig. 9). Einmastige Schiffe mit Rahen gibt es nicht. Die kleinern (Küsten-) Fahrzeuge unterscheiden sich nach ihrer Bauart, wie z. B. Kuff, Galjaß, Galjot, und führen dabei eine zweimastige T.

Auf kleinern Schiffen ist die Schoner- oder Gaffeltakelung zweckmäßiger als die Rahetakelung, weil sie leichter zu bedienen ist, und weil mit derselben besser bei dem Winde (s. Segelmanöver) gesegelt werden kann. Jeder Mast hat ein Gaffelsegel, über dem ein zweites, das Gaffeltoppsegel, zwischen den Enden der Gaffel und des Mastes, der nur eine Stenge hat, angebracht werden kann (Tafel II, Fig. 7). Am Bugspriet kommt auch bei dieser T. noch eine Anzahl Stagsegel hinzu. Große Schiffe haben meist stählerne Masten und Rahen von demselben Durchmesser wie hölzerne, aber hohl und inwendig stark verstrebt; zuweilen bestehen Untermast und Stenge aus einem Stück. Sie sind dauerhafter und auch billiger. Auf Kauffahrteischiffen sind doppelte Mars- und Bramrahen und Patentmarsrahen vielfach im Gebrauch. Bei letztern kann man, ohne daß einer in die T. zu gehen braucht, reffen. Indem die Rahe gefiehrt (herabgelassen) wird, dreht sie sich, mittels eines Zahnrades an der mit einer Zahnleiste versehenen Stenge herunterrollend, und wickelt dabei den obern Teil des Marssegels um sich selbst auf.

Die Gesamtsegelfläche wird durch eine Zahl angegeben, deren Einheit der Flächeninhalt des größten Querschnittes des Schiffes unterhalb der Wasserlinie ist. Sie beträgt bei den großen Segelschiffen 40–50, bei den kleinern 60. Hat man die Gesamtsegelfläche eines zu erbauenden Schiffes bestimmt, dann muß die T. so angeordnet werden, daß der Segelschwerpunkt, d. h. der Angriffspunkt der gesamten zur Wirkung kommenden Windkraft, etwas vor dem Schwerpunkt und hinter der Drehachse des Schiffes und in einer Höhe über der Wasserlinie liegt, die mit der Stabilität in Einklang steht.

Bei den modernen Segelschiffen zeigt sich das Bestreben, die T. im allgemeinen gedrungener, kräftiger und niedriger als früher zu bauen, um die durch plötzliche Windstöße (Böen) hervorgerufenen Schiffsverluste zu mindern. Man verzichtet auf sehr hohe T. (die über den Oberbramsegeln noch je ein Reuel, ein Skysegel oder Moonsegel führte), gibt aber den Unterrahen größere Breite, vergrößert also die Untersegel und verlegt dadurch den Segelschwerpunkt der ganzen T. tiefer nach unten, wodurch das Schiff »steifer« wird, d. h. schwerer zum Kentern gebracht werden kann. Nicht allein die Höhenlage des Segelschwerpunktes über der Wasserlinie ist wichtig für die Segeleigenschaften des Schiffes, sondern auch sein wagerechter Abstand von einer senkrechten Linie, die durch die Mitte der Schiffswasserlinie (zwischen Vor- und Hintersteven) hindurchgeht. Ist die T. so gebaut, daß der Gesamtsegelschwerpunkt zu weit nach vorn fällt, so wird bei seitlichem Winde der Bug des Schiffes vom Wind ab, d. h. nach Lee, gedrängt, und man sagt dann, das Schiff ist leegierig. Hat die T. der hintern Schiffshälfte größere Fläche, liegt der Gesamtschwerpunkt zu weit nach hinten, so wird bei seitlichem Winde der Bug des Schiffes nach dem Winde hin, d. h. nach Luv, gedrängt, und das Schiff wird luvgierig. Starke Luvgierigkeit ebenso wie starke Leegierigkeit beeinträchtigt die Steuerfähigkeit und, weil ihr mit dem Ruder stets entgegengewirkt werden muß, auch die Schnelligkeit des Schiffes; denn sobald das Ruder in einem Winkel zur Längsschiffsebene liegt, wirkt es als Widerstand im Wasser. Jede T., sowohl auf großen Seeschiffen als auf Rennjachten und auf Segelbooten, muß derart entworfen und gestellt sein (»gestagt« [mit Hilfe der Stagen] werden die Masten und Stengen je nach Bedarf mehr oder weniger nach vorn, ehe die Wanten und Pardunen befestigt, »steif gesetzt«, werden), daß das Schiff etc. noch eine ganz geringe Luvgierigkeit behält, weil es dann beim Kreuzen gegen den Wind dem Ruder am besten folgt, d. h. am leichtesten zu steuern ist.

Tafel I stellt das deutsche Fünfmastbarkschiff Potosi dar, das auf der Schiffswerft von Joh. C. Tecklenborg in Bremerhaven und Geestemünde erbaut ist. Von seiner T. sind die Untermasten (vgl. die Erläuterung zur Tafel) mit den zugehörigen Stengen aus je einem Stück besten Stahl hergestellt. Desgleichen sind die Unterrahen sowie die Marsrahen aus Stahl angefertigt, während die Bram- und Oberbramstengen ebenfalls zusammen aus je einem Stück, aber aus Holz, hergestellt sind. Desgleichen sind die Bram- und Oberbramrahen und Gaffeln sowie der Besansbaum aus Holz. Vom Tauwerk ist das gesamte stehende (unbewegliche oder feste) Gut aus Stahldraht gefertigt, am stärksten sind die Stagen und die Wanten der Untermasten; sie werden auch bei der Auftakelung (Anbringung der T.) zuerst angebracht. Das Bugspriet wird durch Wasserstagen und Backstagen gestützt. Wenn die Untermasten damit ihre Stützen haben, werden die Marsstengen zwischen Mars und Eselshaupt mit einem schweren Drehreep hochgeschoben und mit Stagen, mit Stengewanten (auf dem Bild nicht sichtbar) und mit Pardunen abgestützt. Erst jetzt können die Unter- und Marsrahen »aufgebracht«, d. h. an Ort und Stelle geheißt werden, wobei gleichzeitig ihre Brassen und Toppnanten angebracht werden; Konterbrassen werden nur bei stürmischem Wetter angebracht. Nunmehr werden die Bramstengen aufgebracht und zugetakelt mit Stagen und Pardunen; wenn auch diese letzten Teile des stehenden Gutes »steif« (d. h. straff) gesetzt (befestigt) sind, werden die Bram- und Oberbramrahen aufgebracht und schließlich sämtliche Segel »untergeschlagen« (d. h. an den Rahen festgebunden) Hierauf wird als letztes das laufende Gut der Segel: Schoten, Geitaue, Gordinge (Bug- und Nockgordinge) und Buliens, »eingeschoren« (d. h. durch die Blöcke und Rollen der T. hindurchgeführt und an den Segeln befestigt). Besan und Gaffelsegel werden an den Gaffeln untergeschlagen, die Stagsegel werden mit Ringen an ihrem Stag (gardinenartig) befestigt, ihr Hals, der mit Kausch versehen ist, am Bugspriet etc. befestigt. Wenn schließlich die Hoftaue der Wanten ausgewebt, d. h. mit Webeleinen (wagerechten Stricken, den Leitersprossen entsprechend) versehen und durch die Flaggenknöpfe der Oberbramstengen Flaggleinen geschoren sind, so ist die Auftakelung beendet.

Im Laufe des 19. Jahrh. hat die T. der Segelschiffe wenig Umwandlungen erfahren; nur die Leesegel (Schönwettersegel zur Vergrößerung der Segelfläche der Unter-, Mars- und Bramsegel im Groß- und Vortopp) sind in letzter Zeit völlig außer Gebrauch gekommen, weil ihr Nutzen im Verhältnis zu ihrer unbequemen Handhabung zu gering war. Auch die »blinden Rahen« am Bugspriet sind nur noch auf alten Kriegsschulschiffen zu sehen. Vassallo gibt seinen Rahesegeln (1894) große runde Löcher in der Nähe der untern Ecken, also bei den Schothörnern. Je bauchiger die Segel gebläht sind, um so mehr Windkraft wirkt schädlich, d. h. seitlich. Je brettartiger, ebener[289] ein Segel steht, um so günstiger wirkt der seitliche Wind auf die Vorwärtsbewegung. Deshalb sind die chinesischen Gaffelsegel mit vielen wagerechten Bambusstangen versteift, damit die Segel »wie Bretter« stehen. Weil beim Rahesegel der Bauch nicht zu vermeiden ist (wegen der Dehnbarkeit des Segeltuches und des Tauwerkes im Winde), so sollen die Vassalloschen Löcher das schnelle Entweichen des seitlich auf den Segelbauch drückenden, schädlichen Windes bewirken. Nach mehreren Berichten sollen diese Segel sich gut bewährt haben. Vgl. Middendorf, Bemastung und T. der Schiffe (Berl. 1903), und Literatur bei Artikel »Seemannschaft«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 288-290.
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