Valenciennes

[994] Valenciennes (spr. walangßjénn'), Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Nord, an der Schelde, die hier die Rhonelle aufnimmt, Knotenpunkt der Nordbahn und mehrerer Dampfstraßenbahnen, hat Reste alter Befestigungen, eine Hauptkirche Notre-Dame du St.-Cordon (1850–64 im Stile des 13. Jahrh. umgebaut), eine Kirche St.-Géry (teilweise aus dem 13. Jahrh.) mit modernem gotischen Turm, ein Rathaus (1612) mit monumentaler Fassade (1868 restauriert), ein großes Hospital, Denkmäler von Froissart, Watteau (Fontäne) und Carpeaux, eine Säule zur Erinnerung an die Verteidigung 1793 und (1906) 27,835 (als Gemeinde 31,759) Einw., die lebhafte Industrie, insbes. Fabrikation von Metallwaren, Kesseln, Röhren, Kabeln, chemischen Produkten, Stärke, Seife, Preßkohle, Zucker, Bier, Branntwein, Leinwand und Batist, Wirkwaren etc. sowie Handel betreiben. In der Umgebung liegen an der Schelde große Eisen- und Stahlwerke, Walzwerke etc. der Gesellschaften du Nord et de l'Est, du Pont-de-Trith und Denain-Anzin. Die ehemals blühende Spitzenindustrie (s. Valenciennesspitzen) wird nur noch in der Umgebung in geringem Umfang ausgeübt. V. ist der Sitz eines Gerichtshofs und eines Handelsgerichts, hat ein Lyzeum, ein Mädchencollège, eine Kunstakademie, eine Musikschule, ein Kunstmuseum (reich an Werken der flämischen Schule), ein naturhistorisches Museum, eine Bibliothek (40,000 Bände), ein Theater, eine Börse, eine Filiale der Bank von Frankreich, eine Handels- und eine Ackerbaukammer. In der Nähe reiche Steinkohlenlager (das Becken von V. oder von Anzin hat eine Ausdehnung von 60,000 Hektar) und starker Zuckerrüben- und Zichorienbau. – V. hieß bei den Römern wahrscheinlich Valentinianae und war Standort einer römischen Kohorte. Die Könige der Franken hatten in V. ein Palatium. Seit 870 zu Deutschland gehörig, kam die Stadt an die Grafschaft Hennegau, deren Grafen dort residierten; V. ist Geburtsort Kaiser Heinrichs VII. 1677 ward es von Ludwig XIV. genommen und im Frieden von Nimwegen 1678 an Frankreich abgetreten. 1793 wurde V. von den vereinigten Österreichern und Engländern unter dem Prinzen von Koburg erobert, aber 1794 wieder geräumt. Am 1. und 2. Juli 1815 wurde V. von den Niederländern in Brand geschossen. Als Festung wurde V. in neuester Zeit aufgelassen. Vgl. Chuquet, Les guerres de la Révolution, Bd. 10: V. (Par. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 994.
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