Watteau

[432] Watteau (spr. -tō), Antoine, franz. Maler, der Hauptmeister der Rokokozeit, geb. 10. Okt. 1684 in Valenciennes, gest. 18. Juli 1721 in Nogent-sur-Marne bei Paris, lernte in seiner Vaterstadt bei einem obskuren Maler, Gérin, bildete sich aber schon damals mehr nach der Natur und den niederländischen Meistern, die auch später für die Ausbildung seines malerischen Stiles maßgebend wurden. Nachdem er sich um 1702 nach Paris begeben, war er anfangs für Bilderhändler tätig, bis ihn Gillot als Schüler aufnahm, von dem er die Vorliebe für Darstellungen aus Bühnenstücken übernahm. Von diesem ging er zu dem Dekorationsmaler Claude Audran, dem Aufseher der Luxembourg-Galerie, und malte in dessen Auftrag zahlreiche Wanddekorationen, sogen. Panneaux, deren geistvolle Kompositionen sich jedoch nur in Nachbildungen durch den Stich erhalten haben. Im Luxembourg studierte er auch die Gemälde des Rubens, der auf seine blühende Farbengebung von größtem Einfluß wurde, und dessen Liebesgarten neben den Schäferspielen und Balletten des Theaters auch das Vorbild für seine galanten Feste war. Um 1708 wurde W. Schüler der Akademie, um den römischen Preis zu erringen, erhielt im nächsten Jahr aber nur den zweiten Preis. Mit dem Erlös seines ersten Bildes, das eine Szene aus dem Soldatenleben darstellte, dem später noch mehrere gleichen Inhalts folgten, begab er sich um 1709 nach seiner Vaterstadt, von wo er nach kurzer Zeit wieder nach Paris zurückkehrte. Auf Anregung des Malers La Fosse bewarb er sich 1712 um die Mitgliedschaft der Akademie und wurde auch zugelassen, aber erst 1717 als Mitglied aufgenommen, weil er das vorschriftsmäßige Aufnahmebild (es war die Abfahrt nach der Insel Cythera, jetzt im Louvre zu Paris) nicht eher einreichte. Um 1716 nahm ihn der Kunstsammler Crozat in sein Haus, dessen große Handzeichnungensammlung ihm eine reiche Studienquelle eröffnete, und wo er mit Kunstkennern, wie Mariette, Graf Caylus, Julienne u. a., in Verkehr trat. Ende 1720 machte er eine Reise nach London, von der er im Sommer 1721 zurückkehrte. Er starb an der Schwindsucht. Trotz seines siechen Körpers hat W. eine große Anzahl von Bildern geschaffen, die im Gegensatz zu seinem melancholischen Temperament der Verherrlichung des heitersten Lebensgenusses und naiver Sinnenlust dienen. Er hat mit seinen Schäferstücken, galanten Festen, ländlichen Vergnügungen und Schauspielerdarstellungen eine neue Gattung der Malerei begründet und zugleich durch seine Figuren, deren Kostüm er zumeist der Bühne entlehnte, großen Einfluß auf die Modetracht seiner und der spätern Zeit geübt. Schon zu seiner Zeit kamen die Coiffures á la W. auf, zu denen sich später ganze Kostüme á la W., die Watteauhäubchen, die Negligés à la W. u. a. m. gesellten. Mit großer Sicherheit und Lebendigkeit der Zeichnung verband er eine ungemein geistreiche und leichte Pinselführung, schmelzendes Kolorit und ein sein ausgebildetes Naturgefühl, das sich besonders in den landschaftlichen Hintergründen seiner Gemälde zeigt. Die größte Zahl von Gemälden Watteaus (19) befindet sich, von Friedrich d. Gr. angekauft, im Besitz des deutschen Kaisers (im Schloß zu Berlin und im Neuen Palais bei Potsdam), darunter eine in der Komposition stark veränderte Wiederholung der Abreise nach der Insel Cythera, der Liebesunterricht, ein ländliches Vergnügen, L'amour paisible, die tanzende Iris und das in zwei Teile zerschnittene Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint, und demnächst im Louvre zu Paris (der Fehltritt, la Finette, l'Indifférent, der italienische Harlekin Gilles, Jupiter und Antiope und die Gesellschaft im Park). Eine große Anzahl von Bildern Watteaus befindet sich auch in englischem und französischem Privatbesitz (neun der hervorragendsten in der Wallacekollektion in Hertford House in London). Von seinen übrigen Werken sind hervorzuheben: die Liebe auf dem italienischen und französischen Theater, Gesellschaft im Freien und das Frühstück (im Museum zu Berlin), zwei galante Feste im Freien (in der Dresdener Galerie), der junge Savoyarde und das Menuett (in der Eremitage zu St. Petersburg), die Dorfhochzeit (im Soanemuseum zu London), der Ball und die Jagdgesellschaft (im Dulwich College bei London). Auch hat sich eine große Anzahl seiner Zeichnungen (meist in Rotstift und schwarzer Kreide) erhalten. Die Mehrzahl der Bilder und Kompositionen Watteaus (gegen 800) erschienen, gestochen von Audran, Aveline, Fr. Boucher, Caylus, C. N. Cochin, Huquier, Larmessan, Scotin, Thomassin u. a., 1734 in Paris als: »L'œuvre d'Antoine W., gravé d'après ses tableaux et dessins originaux tirés du Cabinet du Roi et des plus curieux de l'Europe« (2 Bde.; eine Auswahl davon auf 60 Tafeln mechanisch reproduziert in: »Dekorationen und Malereien von A. W.« bei Wasmuth in Berlin, 1888). Seine Art wurde eine Zeitlang durch seine Schüler Lancret und Pater fortgesetzt. Vgl. E. de Goncourt, Catalogue raisonné de l'œuvre peint, dessiné et gravé d'A. W. (Par. 1875) und L'art du XVIII. siècle (3. Aufl., Heft 1, das. 1880); Dohme in »Kunst und Künstler«, Bd. 3 (Leipz. 1876); [432] Volbehr, Antoine W. (Hamb. 1885); Hannover, Antoine W. (a. d. Dän., Berl. 1889); weitere biographische Schriften von Dargenty (Par. 1891), P. Mantz (das. 1892), A. Rosenberg (Bielef. 1896), Séailles (Par. 1902), V. Josz (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 432-433.
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