Aneurysma

[482] Aneurysma (gr. Arteriektasie, Pulsadergeschwulst), krankhafte Erweiterung einer Pulsader (Arterie, A. des Herzens s. Herzaneurysma), in Folge von Erkrankung der Arterienhäute, während A. durch Blutandrang u. Blutüberfüllung in Folge verstärkter Herzensthätigkeitwohl nur an den großen, unmittelbar aus dem Herzen abgehenden Arterienstämmen (Bogen der Aorta u. Lungenarterie) vorkommen. In beiden Fällen kommt die Erweiterung zu Stande dadurch, daß die Elasticität u. Contractilität der Arterienwände verloren gehen (die Veränderungen der Arterien, welche A. bedingen, treten in Folge hohen Alters, indem die Häute, namentlich die Ringfaserhaut [mittlere Arterienhaut, s. Arterie], durch mangelhafte Ernährung brüchig werden, fettig entarten od. verkalken u. verknöchern); ferner durch umschriebene Entzündung der Arterienhaut od. am allerhäufigsten durch den sogenannten atheromatösen Proceß (Auflagerung innerer Gefäßhaut u. Zerfallen derselben in erbsenbreiähnliche Masse, wobei entweder sämmtliche Häute ausgestülpt werden, od. nach Zerstörung der Ringfaserhaut die innerste mit der äußeren od. eine der beiden letzteren sich ausbuchten); od. durch schleichende Entzündung der Zellscheide in Folge einer Lähmung der Ringfaserhaut, u. endlich, am seltensten, nur durch verminderte Widerstandskraft der die Arterien umgebenden Gewebe (z.B. in Eiterhöhlen der Lunge), erreichen jedoch nie eine bedeutende Größe ohne zu platzen. Je nach Form u. Beschaffenheit der Wände nimmt man folgende A. an: a) A. verum echtes A., Erweiterung sämmtlicher Arterienhäute, dehnt sich auf den ganzen Umfang des Rohres aus (A. v. totale), in Gestalt einer nicht scharfumschriebenen (A. v. t. diffusum), cylinder- od. spindelförmigen (cylindroideum) Erweiterung, od. betrifft nur eine kleinere Stelle des Arterienrohres (A. v. partiale), die umschrieben (A. circumscriptum) od. sackförmig (sacciforme) ist. Ferner gehört noch zum echten A. das A. cirsoidēum (Varix arterialis), wo die erkrankte Arterie vielfach geschlängelt u. perlenschnurartig ausgebuchtet ist; ferner das A. anastomotĭcum, wo die Zweige mehrerer Arterien sämmtlich erweitert sind u. vielfach mit einander communicirend eine Geschwulst bilden; ebenso auch die Teleangiektasie (Tumor erectilis), eine durch Erweiterung der feinsten Arterien entstandene Geschwulst; diese ursprünglichen Formen ändern häufig mit Vergrößerung auch die Gestalt; b) A. mixtum, das gemischte A., wird nicht von allen, sondern nur von einer od. der anderen der Arterienhäute gebildet, hat eine sackförmige Gestalt, nicht selten mit halsähnlicher Einschnürung, u. geht gewöhnlich aus dem A. verum hervor. Entweder ist die innere Haut zerrissen u. die mittleren u. äußeren buchten sich aus (A. m. externum), od. die mittlere Haut ist zerstört u. die äußeren u. inneren od. nur die inneren dehnen sich aus (A. m. internum s. herniosum). Übrigens ist die Zerreißung der Arterienhaut bei Bildung der A. Nebensache u. Folge der stärkeren, durch Entzündung, Auflagerung, Lähmung erzeugten Ausdehnung der erkrankten Gefäßwand, nicht aber Ursache derselben. Große A. (besonders an größeren Arterien, bis zu Mannskopfgröße) verwachsen mit den anliegenden Theilen, u. ihre Wandung geht durch Druck theilweise od. auch ganz zu Grunde od. verstärkt sich durch eben diese Verwachsung. Zu den A. m, gehört auch das durch Zerrung, Erschütterung entstandene A. traumatĭcum, besonders an den Extremitäten, dies kommt wahrscheinlich von Lähmung der Ringfaserhaut u. Auseinanderweichen ihrer Fasern, vielleicht auch von wirklicher Zerreißung ihrer Fasern mit Erhaltung der inneren Gefäßhaut u. der Zellscheide. c) A. spurĭum, das falsche A.; durch eine Arterienverletzung ist Blut in das umhüllende Zellgewebe ausgetreten u. dieses Blut sammelt sich in einer durch Zerreißung des Gewebes entstandenen Höhle an, während die Umgebung zumeist mit Blut durchdrängt ist (A. sp. diffusum, primitivum). Es tritt Verjauchung durch Entzündung ein u. sodann tödtliche Nachblutung, selten Verödung der Arterie u. eiterige Entzündung der Umgebung; zuweilen verdichtet sich aber das Gewebe rings um den Blutherd u. es entsteht eine Einkapselung (A. sp. circumscriptum, consecutivum). Zu dem A. sp. gehört ferner noch das A. sp. varicōsum(Varix aneurysmatica, A. per transfusionem, A. per anastomasin), welches in Communication einer Arterie mit einer Vene besteht; dasselbe entsteht entweder durch Verletzung der Arterie, z.B. beim Aderlaß, od. in Folge Durchbruchs einer erkrankten Arterie in eine damit verwachsene Vene (also entweder ein traumatisches od. spontanes A. varicosum). Die Communication zwischen Arterie u. Vene ist entweder eine mittelbare u. findet durch ein A. spurium circumscriptum (das eigentliche A. varicosum), od. eine unmittelbare, in Folge von Verwachsung[482] Statt. Der Inhalt der A. ist Faserstoffgerinnungen; die Zweige, welche von der aneurysmatischen Arterie abgehen, verengern u. verschließen sich nicht selten durch Verzerrung, Verstopfung od. Entzündung. Die Nachbarschaft des A. unterliegt wegen Drucks u. Verdrängung mancherlei Störungen, Höhlen u. Kanäle verengern sich, es entsteht Entzündung u. Aufsaugung sogar der Knochen. Das A. endet mit dem Tod durch Brand, Wassersucht, Lähmung, od. plötzlich durch Berstung des A. mit Verblutung od. nachfolgender brandiger Entzündung. Heilung geschieht zuweilen durch die Natur selbst, durch Druck des A-sackes auf die Arterie, wodurch dieselbe sammt dem A. unwegsam wird, verödet (obliterirt); durch Ausfüllung des A-s mit Faserstoffgerinnung, wobei das A. mit der Arterie ebenfalls obliterirt; durch brandige Zerstörung in Folge einer Entzündung. Besonders das männliche Geschlecht (vom 30. bis 60. Jahre) unterliegt der A-bildung, u. scheint dazu eine eigenthümliche Blutbeschaffenheit (aneurysmatische Diathese) mitzuwirken. Nicht selten entstehen sie durch plötzliche u. heftige Ausdehnung der Ader (bei einem Fehltritt, Sturz, Heben schwerer Lasten) u. scheinen bei manchen Gewerben (Seiltänzer, Kunstreiter, Lastträger) am häufigsten vorzukommen. Die A-en erfordern in der Regel chirurgische Hülfe entweder durch Compression der Geschwulst od. der Arterie ober- od. unterhalb derselben od. des ganzen Gliedes, erstere bisweilen auch nach vorläufiger Eröffnung des Sackes od. durch Kauterien zur Zerstörung od. Bewirkung einer Verwachsung des Innern der Geschwulst; od. durch Unterbindung mit eigenen Nadeln (Aneurysmanadeln), bisweilen mit Auflegung eines kleinen Cylinders von gestrichenem Pflaster etc. auf die zu unterbindende Stelle ober- u. unterhalb der Geschwulst, nach vorheriger od. späterer Öffnung des Sackes u. Herausnahme des geronnenen Blutes etc. Durch die Unterbindung wird der Kreislauf in den Theilen unterwärts aufgehoben, gewöhnlich aber durch sich erweiternde Nebengefäße hergestellt. Geschieht dies nicht, so wird das Glied brandig. Auch durch Gerinnung des Blutes mittelst des Galvanismus sucht man A-men zu heilen, s. Acupunctur.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 482-483.
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