Marcus [1]

[862] Marcus, 1) römischer Vorname. 2) Evangelist, wahrscheinlich dieselbe Person mit dem in der Apostelgeschichte unter dem Namen Johannes Mod. schlechthin Johannes erwähnten Sohne der Maria in Jerusalem, in deren Hause zur Zeit der Hinrichtung des Jacobus die Apostel sich versammelten. Da er ein geborener Jude, aus dem Stamme Levi, u. Priester war, so nahm er den lateinischen Namen wohl unter den Römern an. Nach Einigen war er einer der 70 Jünger, nach Eusebius u. Irenäus kannte er Jesum nicht von Person, u. Petrus bekehrte ihn zum Christenthume. Er wurde erst Begleiter des Paulus, von welchem er sich aber später trennte u. sich inniger an Petrus anschloß, dessen Hermeneut er nach der kirchlichen Tradition gewesen ist u. mit dem er sich in Rom befunden haben soll. Er soll, nachdem er sein Evangelium geschrieben, auf Petrus Befehl in Alexandrien eine Gemeinde gestiftet, hierauf in Libyen, bes. in Marmarika u. Pentapolis etc., das Christenthum ausgebreitet haben; ebenso ungewiß wie dies, ist Zeit, Ort u. Art seines Todes, welchen man bald nach Alexandrien, wo er im Jahr 66 als Märtyrer gestorben sei, bald in das 8. Jahr des Kaisers Nero, bald nach dem Tode des Paulus u. Petrus setzt. Er ist der Schutzpatron von Venedig, s. Marcus. Über die Bestimmung der Entstehung des dem M. zugeschriebenen zweiten Evangeliums durchkreuzen, ja widersprechen sich die Nachrichten der Alten u. stimmen nur in dem Punkte überein, daß sie dem Petrus einen gewissen Antheil an der Abfassung des Evangeliums zuschreiben. Nach den ältesten Zeugnissen (Papias, Clem. Alex., Origenes), denen auch Thiersch folgt, entnahm M. seine Nachrichten nur dem mündlichen Vortrage des Petrus; Heronymus aber schreibt dem Petrus eine volle Mitwirkung bei der Verfassung des zweiten Evangeliums zu. Während Hilgenfeld (Das Evangelium M., Lpz. 1850) das sogenannte Evangelium des Petrus als Grundlage des Marcusevangeliums bezeichnete, glaubte Baur, M. benutze. den Mathäus u. Lukas nach einem bestimmten Plane, doch mit Selbständigkeit, u. Andere, wie Storr, Gehringer, Shmit, Br. Baur, Baumgarten-Crusius, Sepp, Ritschl, Meyer, Wilke, H. Weiße, Hitzig, machten den M. zum Urevangelisten. Nach Gieseler ist das zweite Evangelium eine Darstellung der unter den Judenchristen ausgebildeten Überlieferung in verkürzter, für die Heidenchristen modificirter Gestalt. Es ist sogleich ursprünglich griechisch geschrieben u. nicht, wie die Majorität der Katholischen Kirche will, lateinisch. Nach Clemens Alex. schrieb M. sein Evangelium in Rom auf Ansuchen der dortigen Gemeinde, nach Andern hat er es erst in Alexandrien geschrieben; nach den meisten Angaben verfaßte er es noch bei Lebzeiten des Apostels Petrus, nach der Minorität nach dem Tode des Petrus u. Paulus, so daß Manche die Entstehungszeit des Evangeliums schon in das Jahr 43, Andere erst zwischen 63 u. 68 setzen. Da M. für Heidenchristen schrieb, so überging er dasjenige, was nur den Inden wichtig sein konnte; u. erzählte daher nur die Handlungen Jesu in seinem Lehramte (Cap. 1–13), das Leiden u. den Tod desselben (Cap. 14–15), seine Auferstehung u. seine Himmelfahrt (Cap. 15). Hitzig (Über Johannes M. u. seine Schriften, Zür. 1843) legt dem M außer dem zweiten Evangelium auch die Apokalypse dei. Commentare über das Evangelium von H. Grotius, Elsner, Paulus, Kninöl, Fritzsche, Olshausen, Meyer, de Wette, Baumgarten-Crusius (Nachgelassene exegetische Schriften zumn. T., Jena 1844), Ewald (Übersetzung u. kurze Erklärung, Gött. 1850); Baur, Das Marcusevangelium, nach seinem Ursprung u. Charakter, Tüb. 1851. 3) M., Schüler des Valentinus, dessen System er weiter, ausbildete; lebte in der Mitte des 2. Jahrh. in Ägypten u. Gallien. Seine Anhänger Mareiten od. Marcoslauer, s.u. Valentinus. 4) M., Gnostiker, Anhänger des Marcion. 5) M., Gnostiker aus Memphis im 4. Jahrh.; in Spanien gewann er den Redner Elpidius für seine gnostisch-manichäischen Ansichten, von welchem sie dann Priscillianus (s.d.) erhalten halten haben soll. 6) M., Mönch auf Montecassino unter Justinus Thrax; er schr. in lateinischen Versen das Leben seines Lehrers St. Benedict u. (Rom 1590) Benedicti miracula a Gregorio papa omissa. 7) M., Papst, Nachfolger Sylvesters I. 336; er starb schon nach 9 Monaten, nach ihm ist der Marcuskirchhof in Rom benannt, wo er eine Kirche erbaut haben u. wo er begraben liegen soll. 8) M. Eugenicus (M. Ephesios), Erzbischof von Ephesus, im 15. Jahrh., ist vorzüglich durch seine Theilnahme am Florentiner Concil (1439), auf welchem eine Vereinigung der Morgenländischen u. Abendländischen Kirche versucht wurde, u. durch seinen hartnäckigen Widerspruch u. lebhaften Widerstand gegen diese Vereinigung bekannt, welcher er dogmatische Ansichten seiner Kirche nicht opfern wollte, s. Union.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 862.
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