Maurokordātos

[24] Maurokordātos, griechische fanariotische Fürstenfamilie, welche von Kaufleuten aus Chios abstammt u. ihren Ursprung von dem genuesischen Geschlechte der Scarlati herleitet; 1) M., geb. 1636 in Constantinopel, erlangte seine erste Bildung auf dem griechischen Gymnasium in Rom u. studirte dann in Padua Medicin u. Philosophie, mußte sich aber von letzter Universität entfernen u. ging später nach Florenz, wo er De usu pulmonum et respiratione ex sanguinis circulatione, schrieb, wurde dann Professor der Rhetorik u. Philosophie an dem Lyceum in Constantinopel u. Arzt, Pfortendolmetscher, türkischer Gesandter in Wien u. endlich Bevollmächtigter bei dem Friedenscongresse zu Karlowitz; er st. 1707 in Constantinopel. 2) Nikolaus, Sohn des Vorigen, geb. um 1670, folgte diesem als Pfortendolmetscher, war der erste Grieche, welcher 1709 Hospodar der Moldau u. 1716 Fürst der Walachei wurde, u. starb 1730; s. Walachei (Gesch.). Er war gelehrt, errichtete zuerst in der Walachei eine Druckerei u. eine öffentliche Schule für das Slawische, Altgriechische u. Lateinische, u. schr. u.a. Περὶ καϑηκόντων, 1719 u.ö. 3) Constantin, Bruder des Vorigen, wurde 1735 Hospodar der Walachei, schaffte daselbst die Sklaverei des Bauernstandes ab, führte den Maisbau ein u. sorgte auch durch Errichtung von Schulen für die Bildung des Volkes. 4) Fürst Alexander, Sohn des Vor., war gleichfalls Pfortendolmetscher u. seit 1786 Fürst der Moldau, mußte jedoch später, um der Rache des Sultans zu entgehen, nach Rußland fliehen, wo er in Moskau um 1820 starb. Er ließ 1790 ein griechisch-französisch-italienisches Wörterbuch ausarbeiten u. war selbst Dichter. 5) Fürst Alexander, Sohn des Vor., geb. um 1787 in Constantinopel, folgte noch sehr jung seinem Oheim, dem Fürsten Karadscha, nach der Walachei u. dann nach der Schweiz u. Italien. Zu Pisa erreichte ihn der Aufruf des Alexander Kantakuzenos, worauf sich 1821 M. in Begleitung französischer Offiziere nach dem Peloponnes einschiffte. Demetrius Ypsilantis sandte ihn nach Ätolien, wo er eine Versammlung nach Vrachori berief u. eine provisorische Regierung Westgriechenlands anordnete, u. auf der Nationalversammlung zu Argos erhielt er den Auftrag, den Unabhängigkeitsbeschluß u. die einstweilige Regierungsform zu entwerfen. Zu Epidauros, wohin sich der Congreß 1822 wandte, wurde er zum Proëdros ernannt, eröffnete eine Anleihe von 5 Millionen Piaster u. erließ das Blockadedecret der türkischen Häfen. Dann zog er als Stratarch nach Westgriechenland u. rettete den Peloponnes durch die Vertheidigung Missolonghis vom November 1822 bis Januar 1823. Von der Partei des Kolokotronis u. Demetrius Ypsilantis angefeindet, kehrte er zurück, nahm nur auf kurze Zeit die Stelle eines Proëdros des vollziehenden Rathes an u. zog sich nach Hydra zurück. Hier bewog er die Navarchen, Missolonghi durch eine Flotte zu entsetzen u. ging auch gegen Ende 1823, von Neuem mit dem Oberbefehl über Westgriechenland bekleidet, selbst dorthin, wo es ihm abermals gelang, die Türken von Akarnanien u. Ätolien fernzuhalten[24] Als Kolokotronis offen gegen die Regierung in Nauplia sich erklärte, gab M. im October 1825 seine Entlassung ein u. zog sich von den öffentlichen Geschäften gänzlich zurück. Während der Präsidentschaft Capodistrias' stand er mit Miaulis u. Konduriotis an der Spitze der Opposition u. verlangte eine Nationalversammlung. Nach König Otto's Ankunft wurde er 1833 Minister des Auswärtigen u. Staatsrath, 1834–41 nacheinander Gesandter zu München, Berlin u. London, 1841 Conseilspräsident, ging aber bald darauf als außerordentlicher Botschafter nach Constantinopel, um die Differenzen über die Handelstractate zu beseitigen. In Folge der Septemberrevolution 1843 kehrte er nach Griechenland zurück, eröffnete im Namen des Alterspräsidenten u. als Vicepräsident die Nationalversammlung u. bildete nach deren Schlusse u. Festsetzung der neuen Verfassung am 11. April 1844 ein neues Ministerium, in welches er als Präsident eintrat, das jedoch schon im August desselben Jahres seine Entlassung nehmen mußte. Seit November 1850 war M. griechischer Gesandter in Paris u. stand dann wieder vom Mai 1854 bis Anfang October 1855 als Ministerpräsident an der Spitze der griechischen Regierung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 24-25.
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