Protestantische Freunde

[637] Protestantische Freunde (Lichtfreunde), ein freier Verein von Geistlichen u. Laien, welche in öffentlichen Versammlungen das rationalistische Christenthum gegen die Bestrebungen der orthodoxen Partei zu vertheidigen suchten. Sie traten wegen verschiedener Maßnahmen des preußischen Kirchenregiments auf Anregung des Pfarrers Uhlich im Juni 1841 als eine Conferenz von 16 Predigern in Gnadau zusammen, welcher bald darauf Versammlungen in Halle u. 1842 in Leipzig, wo bereits Laien gegenwärtig waren, folgten. Von nun an wiederholten sich dieselben gewöhnlich jährlich zweimal in Köthen, man stellte ein Bekenntniß in neun Hauptsätzen auf, worin für den Christen das Recht, Alles in der Religion mit der Vernunft zu prüfen, aufzunehmen u. zu verarbeiten, beansprucht u. zugleich die größte Toleranz gefordert u. versprochen wurde. Als literarisches Organ wurden die Blätter für christliche Erbauung gegründet. Die Art der Verhandlung war gewöhnlich so, daß der Vorsitzende Thesen über irgend eine religiöse od. kirchliche Zeitmaterie aufstellte, welche Veranlassung zu weiteren Besprechungen gaben. In Folge des Vortrags, welchen der Pfarrer Wislicenus aus Halle im Mai 1844 über die Frage: Ob Geist, ob Schrift? hielt u. worin er das evangelische Schriftprincip angriff u. verläugnete, entstand eine Spaltung in der Gesellschaft, u. in der Maiversammlung 1845 versagte ein Theil der Anwesenden den Sätzen Wislicenus' seinen Beifall. Nachdem die Regierung schon vorher die Geistlichen ermahnt hatte, sich von den Versammlungen der P. F. fern zu halten, untersagte sie im August 1845 alle öffentlichen Zusammenkünfte u. geschlossenen Gesellschaften der P. F., u. die letzte Versammlung ohne Laien wurde den 22. April 1846 gehalten. Fast gleichzeitig erschien im Königreich Sachsen bei den hier versuchten lichtfreundlichen Agitationen ein Verbot der in Evangelicis beauftragten Minister am 17. Juli 1845. Für die P. F. wirkten in Marburg Bayrhoffer, in Mecklenburg u. Holstein Runge u. Jansen, in Königsberg Rupp, in Schlesien Krause u. A., durch Flugschriften bes. König. Übrigens neigte sich ein Theil derselben immer mehr den Grundsätzen der Hegelschen Schule zu, der andere aber hielt an den Lehren des alten Rationalismus fest, u. alle Vereinigungsversuche scheiterten an der Entschiedenheit der speculativen Richtung. Das freie Vereinsrecht 1848 führte die P. F. den 26. April d. J. wieder zu einer Versammlung in Köthen zusammen, um nach einem Entwurf eine Kirchenverfassung zu berathen. Das Resultat dieser Versammlung war ein Verfassungsentwurf, welcher aber nicht viel Beifall fand u. auch keinen weiteren Erfolg hatte. Die 1848 in Leipzig u. Dresden[637] gestifteten kirchlichen Vereine, welche alle Confessionen verschmelzen wollten, wurden meist von P. F. gegründet. Aus ihnen gingen später die Freien Gemeinden (s.d.) hervor.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 637-638.
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