Sequestration

[861] Sequestration, eine besondere Art des Depositum, welche darin besteht, daß die Aufbewahrung einer Sache, weil Streit darüber entstanden od. aus anderen Gründen, einem unparteiischen Dritten (Sequester) anvertraut wird, welcher sich verpflichtet dieselbe nach beendigtem Rechtsstreite demjenigen herauszugeben, welchem sie vom Richter zuerkannt wird. Die S. setzt der Regel nach einen Vertrag unter den streitenden Theilen voraus, doch kann sie nöthigenfalls auch vom Richter wider den Willen derselben angeordnet werden; daher die Eintheilung in Sequestratio voluntarias. conventionalis u. S. necessaria. Die S. voluntaria braucht sich nicht in den Grenzen des Depositum zu halten, obschon dies der gewöhnliche Fall ist; sie nimmt auch häufig die Natur eines anderen Vertrages an, bes. dann, wenn dem Sequester auch die Verwaltung od. die Benutzung der Sache übertragen wird. Hiernach richtet sich dann auch die aus der S. entstehende Klage. Liegt der S. ein reines Depositum zum Grunde, so entsteht daraus die Actio depositi sequestraria; kommt ein Pacht od. eine Miethe od. ein Mandatum dabei vor, so findet die Actio locati conducti u. Actio mandati sequestraria Statt. Die S., welche durch richterliche Verfügung angeordnet wird, kann entweder Sicherungs- od. Executionsmittel sein. a) Als Sicherungsmittel bezweckt die S. eine Person od. Sache, zur Abwendung einer für dieselbe in einem anhängigen Rechtsstreite zu besorgenden Gefahr, der Einwirkung der streitenden Theile zu entziehen. Das Gericht kann die deshalb angeordnete Verwahrung entweder selbst übernehmen od. auch einer dritten Person übertragen. Das Letztere ist das gewöhnlichere bei Immobilien u. solchen Sachen, bei denen eine Verwaltung nöthig ist; bei den übrigen Sachen ist die gerichtliche Verwahrung die Regel. Über die Frage, wenn zur S. zu schreiten sei, hat im Allgemeinen das richterliche Ermessen zu entscheiden; doch tritt sie der Regel nach nur im Nothfalle ein, wenn kein anderes, die Rechte des Besitzstandes weniger beschränkendes Mittel zur Sicherung des Streitobjectes ausreicht Aus demselben Grunde ist die S. nicht über die Grenzen der Gefahr, welche damit verhütet werden soll, auszudehnen, z.B. nur auf den Fruchtbezug zu beschränken, wenn es sich nur um diesen handelt. Die Kosten einer solchen, blos als Sicherungsmaßregel verhängten S. trägt, wenn die Maßregel durch Verschulden des Impetraten (Sequestrat), z.B. durch Verschleuderungen, Verschlechterungen etc. nothwendig wurde, dieser Letztere; wurde sie aber ohne solche Schuld nur zur Sicherung der Rechte des Impetranten auf dessen Antrag verfügt, der Impetrant. Im Übrigen gelten hierbei die bei provisorischen Verfügungen überhaupt maßgebenden Grundsätze. b) Als Executionsmittel wird die S. verfügt, um den Gläubiger aus den Nutzungen einer dem Schuldner gehörigen Sache zu befriedigen, welche selbst aber hierbei dem Schuldner erhalten werden soll. Besonders tritt die S. hiernach ein, wenn es sich um Befriedigung von Forderungen handelt, für deren Sicherheit eine fruchtbringende Sache haftet u. wenn der Gläubiger hinsichtlich seiner Befriedigung durch Vertrag ausdrücklich auf die Früchte beschränkt ist, od. wenn die Sache selbst wegen Unveräußerlichkeit derselben nicht angegriffen werden darf. Dagegen reicht die bloße Voraussicht, daß dem Schuldner die Sache selbst ohne Schaden des Gläubigers durch eine S. der Früchte u. deren Verwendung zur Bezahlung der rückständigen Forderung erhalten werden könne, zur Anwendung der S. als Executionsmittel nicht aus, weil der Gläubiger nicht gezwungen werden kann sich Stückzahlungen u. längere Stundungen gefallen zu lassen. Die Kosten der S. als Executionsmittel hat immer der Impetrat zu tragen. Bei Verfügung der S. ist der Sequestrat stets mit seinen Einwendungen zu hören, doch kann unerwartet seiner Erklärung die S. einstweilen immer provisorisch angeordnet werden, wenn Gefahr auf dem Verzuge ruht. Als Einreden sind im Wesentlichen dieselben Gründe statthaft, welche gegen die Verfügung eines Arrestes (s.d.) vorgebracht werden können. Sind die Einreden sofort liquid u. nach Befinden des Richters beachtlich, so ist die S. sofort aufzuheben, außerdem ist erst wieder der Impetrant zu hören u. nach den gegenseitigen Erklärungen der Parteien anderweit zu erkennen, ob die S. fortzusetzen od. aufzuheben sei. Gegen das ausgesprochene Erkenntniß sind die gewöhnlichen Rechtsmittel aber ohne suspensive Wirkung zulässig.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 861.
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