Araukos

[107] Araŭkos (die), auch Araukaner und Auka genannt, sind der ausgezeichnetste freie Indianerstamm Südamerika's, der auf einer höhern Stufe der Gesittung als alle übrigen steht und seine Unabhängigkeit gegen jeden Angriff aufs Tapferste behauptet hat. Das Gebiet, welches sie bewohnen, grenzt an den Freistaat Chili, umfaßt ungefähr 1700 ! M. und ist im O. von ungeheuern Bergwänden der Andeskette umschlossen, von deren Fuße westl. bis zum Meere sich ein vortreffliches, sehr fruchtbares, von der Natur gutbewässertes Vorland erstreckt, das von den Europäern noch wenig durchforscht ist. Das Klima ist mild und gesund und begünstigt einen vortrefflichen Pflanzenwuchs. An großen Waldungen, üppigen Viehweiden und Mais- und Getreidefeldern, vielen Obst- und Gemüsearten ist das Land sehr reich, sowie nicht minder an Pferden, Hornvieh und Schafen; auch hat es Überfluß an edeln Metallen, besonders auch an Gold und Silber, die aber unter ihnen wenig geschätzt sind. Die Araukaner, deren Zahl etwa eine halbe Mill. beträgt, sind stark und wohlgebaut, haben olivenfarbige Haut und kleine, lebhafte, ausdrucksvolle Augen; ihre Stirn ist kurz, die Nase stumpf, der Mund wohlgebildet und das Haar schwarz [107] und grob. Von Charakter sind sie edelmüthig, unerschrocken, tapfer und im höchsten Grade von Vaterlands- und Freiheitsliebe beseelt, in ihrer häuslichen Wirthschaft dagegen träge, sodaß das Weib sogar das Feld bestellen muß. Nächst dem Kriege ist Jagd ihre hauptsächlichste Beschäftigung. Vielweiberei ist unter ihnen Sitte, die Braut aber muß den Altern abgekauft oder entführt werden. Sie sind dem Trunke ergeben und finden hierzu viele Veranlassung bei den zahlreichen Gelagen, die bei ihnen gebräuchlich sind. Ihre Wohnungen sind mit Rohr bedeckte, gewöhnlich am Wasser erbaute Lehmhütten; Städte sind ihnen als Gefängnisse freier Männer verhaßt. Für Männer und Weiber ist ein aus Wolle gewebter Mantel, Poncho genannt, das allgemeine Kleidungsstück. Er besteht aus einem Stücke Zeug, länger als breit und in der Mitte mit einem Loche, um den Kopf durchzustecken. Die Frauen lieben überdies den Putz sehr; ihre langen Haare hängen in Flechten über den Nacken herab und sind meist mit unechten Smaragden geschmückt; auch Hals- und Armbänder, Ringe und Silberplättchen an den Ohren sind ganz allgemein unter ihnen gebräuchlich. Leidenschaftlich lieben die Araukaner die Musik; sie kennen aber nur Trommeln, Zinken, Pfeifen und eine Art kleiner Flöte; sie haben verschiedene Tänze, jedoch tanzen Männer und Weiber für sich. Verschiedene Spiele, wie Ringen, Ball-und Kugelspiel üben sie mit Eifer; auch kennen sie seit den frühesten Zeiten das Schachspiel, welches sie Comican nennen. Die Religion der Araukaner ist rohe Naturreligion; sie erkennen ein höchstes Wesen und nehmen gute und böse Geister an, fürchten sich insbesondere vor Zauberern, die des Nachts als Sperlinge umherfliegen und mit unsichtbaren Pfeilen schießen sollen, und wissen eine Menge Gespenstergeschichten zu erzählen. In geistiger Bildung stehen sie noch tief, obgleich sie einen recht gefunden Menschenverstand besitzen. Durch die Gempir, wie sie ihre Dichter nennen, werden die Heldenthaten des Volkes besungen. Ihre Sprache ist die chilische Ursprache oder das Chilidugu. Der Staat der Araukaner hat eine aristokratische Verfassung und wird durch den Adel, welcher in Toquis, Apo-Ulmenes und Ulmenes sich theilt, nach altem Herkommen regiert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 107-108.
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