Begräbniss

[209] Begräbniss oder Beerdigung heißt das Begraben einer menschlichen Leiche in die Erde, während der Ausdruck »eine Leiche beisetzen« nur das Versenken in eine ausgemauerte Gruft bezeichnet. Beides pflegt in neuerer Zeit an besonders dazu bestimmten, meist außerhalb der Städte und Ortschaften gelegenen, luftigen und am besten trockenen Orten zu geschehen, welche Kirchhof, Friedhof, Gottesacker und überhaupt Begräbnißplätze heißen, wodurch die großen Nachtheile vermieden werden, welche die früher übliche Beerdigung auf Plätzen innerhalb der Städte, neben und in den Kirchen, für die Gesundheit der Bevölkerung mit sich brachte. Die Sitte des Begrabens der Todten ist sehr alt; ebenso die, sie zu verbrennen, und beide herrschten bei Griechen [209] und Römern, welche ihre Leichen an den Landstraßen in Familienbegräbnissen und auf öffentlichen Begräbnißplätzen begruben, oder die Asche und übrigen Gebeine der Verbrannten, in Urnen gesammelt, an jenen Orten beisetzten, was die Ägypter auch mit ihren Mumien thaten; auch die alten Deutschen begruben ihre Todten in geheiligten Hainen, an deren Stelle nach Einführung des Christenthums andere dazu geweihte Orte traten. Vornehme und Reiche stifteten auch wol Leichenspiele zum Andenken ihres Todes, welche bei den Griechen meist in Wettrennen, bei den Römern in Fechterspielen bestanden. Als die Ausbreitung der Christusreligion es im 4. Jahrh. ihren Bekennern möglich machte, nach dem Beispiele anderer Nationen, welche Pyramiden und Mausoleen über den Gräbern ihrer großen Männer und Heiligen errichteten, Kirchen über den Gräbern christlicher Heiliger und Märtyrer zu erbauen, sah man es bei dem Glauben an die besondere Heiligkeit, welche deren Gebeine einem Orte verliehen, bald allgemein für ein Glück an, in ihrer Nähe begraben zu werden, und der 337 gestorbene Kaiser Konstantin ist als der Erste bekannt, welcher sein Grab in einer Kirche wählte. Seinem Beispiele ahmten Bischöfe und Vornehme nach und bald konnte Jeder diese Ehre durch reiche Vermächtnisse an ein Gotteshaus oder durch Kauf erwerben. Diese der Gesundheit so nachtheilige Sitte erhielt sich trotz dem Verbote einiger abendländ. Kaiser, und erst nachdem man die Erfahrung gemacht, daß Personen beim Öffnen von Grüften sogleich todt niederfielen und ganze Kirchen, in denen sie sich befanden, längere Zeit nicht ohne Gefahr betreten werden konnten, ja in Paris sogar der Fall eintrat, daß alle Häuser in der Nähe des Kirchhofes »der Unschuldigen« durch die Ausdünstungen desselben unbewohnbar wurden, schaffte man sie in neuerer Zeit fast überall ganz oder mit wenigen Ausnahmen ab. Raffen ansteckende Krankheiten viele Menschen hin, so wird erhöhte Vorsicht beim Begraben derselben nöthig; die Gräber müssen dann tiefer gemacht und die Leichen mit ungelöschtem Kalk überschüttet werden, um der Verunreinigung der Luft durch die Menge derselben vorzubeugen. Eine andere höchst wichtige Vorsicht bei Begräbnissen ist die, keinen Menschen eher zu beerdigen, bis entscheidende Merkmale eingetretener Fäulniß beweisen, daß er dem gräßlichen Lebendigbegraben nicht mehr ausgesetzt ist. Die Bestimmung einer Zeit, vor deren Ablauf kein Begräbniß stattfinden soll, schützt dagegen nicht, weil Jahreszeit, Krankheit und Zustand der Leiche die Verwesung beschleunigen oder verspäten. Die beste Bürgschaft gewährt die an manchen Orten eingeführte Todtenschau durch verpflichtete ärztliche Personen, ohne deren Erlaubniß keine Leiche begraben werden darf, und die Einrichtung von Leichenhäusern (s.d.), wo bald nach dem Verscheiden Jeder hingebracht, in zweifelhaften Fällen allen Wiederbelebungsversuchen unterworfen und überhaupt unter zweckmäßiger Aufsicht verwahrt werden kann, bis bestimmte Merkmale des Ablebens erlauben, zum Begräbniß zu schreiten. – In Zusammensetzungen, wie Erbbegräbniß, Familienbegräbniß wird der Ausdruck Begräbniß auch gleichbedeutend mit Gruft und Begräbnißplatz gebraucht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 209-210.
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