Bessarabien

[238] Bessarabien, die südwestlichste Provinz des russ. Reichs, durch die Donau von der Türkei, durch den Pruth von der Moldau getrennt, außerdem vom östr. Galizien, vom Dniester und schwarzen Meere begrenzt, hat auf 890 ! M. 600,000 Einw., darunter 8000 Zigeuner; übrigens besteht die Bevölkerung aus Moldauern, Griechen, Juden, Armeniern, Russen, etwa 9000 deutschen Ansiedlern, und Bulgaren, von denen noch im J. 1830 gegen 50,000 aus der Türkei einwanderten. Die Provinz besteht aus dem eigentlichen B. und einem Theile der Moldau, wurde 1812 im Frieden von Bukarescht von der Türkei an Rußland abgetreten und hat höchst fruchtbaren Boden, der aber nur wenig angebaut ist. Besonders blühend sind dagegen Viehzucht, Fischerei, much Wein- und Obstbau, und mit Vieh, Wolle, Häuten, Talg, Obst, Wein, Wachs u.s.w. wird ein ansehnlicher Handel getrieben; die vorzüglichsten Gewerbe sind Branntweinbrennerei, Gerberei und Seifensiederei; Salz liefern einige Seen in großer Menge, dagegen fehlt es an Holz und Wasser. Die Hauptstadt Kischenew am Byk, der [238] Sitz eines Bischofs, hat 18,000 Einw. und ein akademisches Gymnasium; weiter sind zu bemerken die in der Kriegsgeschichte oft erwähnten Festungen Choczim am Dniester mit 4000 und Bender mit 5000 Einw., in der Nähe das Dorf Warnitza, wo Karl XII. (s.d.) von 1709–12 lebte; die Festung Ismail am nördl. Donauarme, mit lebhafter Schifffahrt und 9000 Einw., bekannt durch die Eroberung des russ. General Suwaroff im Dec. 1789, welche 33,000 Türken das Leben kostete; Kilianova mit 3500 Einw., die viel Kaviar bereiten; Beltzy mit 3000 Einw. und wichtigen Viehmärkten, von denen jährlich an 60,000 fette Ochsen bis nach Östreich getrieben werden, und Akjerman an der Mündung des Dniester ins schwarze Meer, mit 12,500 Einw., wichtigem Handel, Schiffswerften und einer Messe. Hier wurde im Oct. 1826 zwischen Rußland und der Türkei der akjermaner Vertrag geschlossen, dessen Nichterfüllung von Seiten der letztern 1828 zu einem Kriege zwischen beiden Mächten führte, den der Friede von Adrianopel (s.d.) endigte. Im Mittelpunkte von B., an beiden Ufern des Kagilnik, wurden 1814–15 den Einwanderern aus den durch den Krieg verheerten europ. Ländern große Ländereien angewiesen und von daher schreibt sich auch meist die oben erwähnte deutsche Bevölkerung in 19 Dörfern, welche die Namen von Orten, z.B. Beresina, Leipzig, Paris u.s.w. führen, wo die russ. Heere 1812–13 gesiegt haben; auch besteht hier eine Schweizercolonie, Helvetia, die Weinbau mit gutem Erfolge betreibt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 238-239.
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