Bleichen

[263] Bleichen heißt die Kunst, die natürliche Farbe irgend eines Körpers des Thier- oder Pflanzenreichs oder der daraus verfertigten Gegenstände durch chemische Einwirkung von Luft, Nässe und Sonnenlicht, von Chlor oder von schwefeliger Säure, in eine mehr oder weniger weiße zu verwandeln, welche Mittel man daher Bleichmittel nennt. Bis in die letzte Hälfte des vorigen Jahrh. bleichte man nach der erstern, von der Erfahrung seit uralter Zeit entlehnten Weise, wozu man gewöhnlich ebene Grasplätze benutzte und daher dies Verfahren die Rasenbleiche, auch Sonnenbleiche nannte. Luft, Sonnenlicht und Feuchtigkeit bewirken nämlich eine solche Zersetzung der in vielen zu bleichenden Körpern vorhandenen Farbenstoffe, daß diese entweder verbleichen oder aufgelöst und dadurch entfernt werden können. Wird Letzteres nur dem Thau und Regen überlassen, so heißt das die trockene, werden die Stoffe aber regelmäßig mit Wasser begossen, die nasse Bleiche. Beide sind die am meisten angewendeten, [263] für die Festigkeit der Stoffe am wenigsten nachtheiligen Arten zu bleichen, erfodern aber freilich sehr viele Zeit. Leinene und baumwollene Stoffe müssen jedoch, nachdem sie in reinem Flußwasser entschlichtet worden sind, noch einer Vorbereitung durch Einlaugen oder sogenanntes Bäuchen unterworfen werden. Dies besteht im Einweichen in heiße Holz- oder Pottaschenlauge, darauf folgendem Walken, Auswaschen in weichem Wasser und mehrtägigem Ausbreiten auf dem Bleichplatze, welches Verfahren sich je nach den verschiedenen Stoffen mehr oder weniger oft wiederholt. Zuletzt wird Leinwand nach holländ. Art noch in saure Milch, nach engl. in Sauerwasser aus einem Theile Schwefelsäure und 200 Theilen Wasser geweicht, in Fluß- und Seifenwasser abgespült, auf dem Bleichplatze getrocknet und zuweilen noch durch blaue Stärke gezogen. Durch die seit etwa 50 Jahren bekannt gewordene Anwendung der mit-Chlor (s.d.) bereiteten Bleichmittel ist das obige Verfahren außerordentlich abgekürzt worden und die Chlorbleiche heißt deshalb auch Schnellbleiche, kann aber leicht der Haltbarkeit des Stoffes schädlich werden. Die Leinwand wird dazu ganz wie oben vorbereitet, bis sie die halbe Bleiche hat, dann aber in die Auflösung des Chlormittels, meist Chlorkalklange, 12–24 Stunden eingeweicht, gespült, nach 24 Stunden in Sauerwasser gebracht, wieder ausgewaschen, in Potaschen- oder ätzender Kalilauge gebäucht und mit dieser auf dem Bleichplatze einige Tage ausgelegt, welche Behandlung sich bis zur Herstellung der gefoderten Weiße erneuert. Eine andere, im Großen aber etwas schwierig anzuwendende Art zu bleichen ist die durch verdichtete Wasser- oder Ätzlaugendämpfe, denen die Leinwand in verschlossenen Räumen ausgesetzt wird. Das Bleichen baumwollener Stoffe erfodert im Wesentlichen dieselbe Arbeit, wie das der leinenen, ist aber viel schneller vollendet. Übrigens müssen auch alle zum Färben bestimmte Baumwollengewebe der Bleiche unterworfen werden, um dadurch eine der rohen Baumwolle wie ein Firniß anhängende Substanz zu entfernen, welche der Färbung hinderlich ist. Gegenstände aus thierischer Wolle würden bei einem, dem vorerwähnten ähnlichen Bleichverfahren schmutziggelb werden, daher wendet man hier, sowie beim Bleichen der Seide, des Strohes, der Federn u.s.w. schweflige Säure an. Nachdem nämlich jene Stoffe kurze Zeit in sehr schwacher kalischer Lauge gesotten und dann in Wasser ausgewaschen worden, werden sie entweder in flüssige schwefelige Säure getaucht oder in besondern Schwefelkammern feucht den Dämpfen von brennendem Schwefel ausgesetzt und zuletzt noch einmal ausgewaschen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 263-264.
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