Handschrift

[327] Handschrift, im juristischen Sinne, nennt man eine schriftlich ausgestellte Urkunde, in welcher sich der Aussteller zu etwas bekennt oder verpflichtet. Da das Wort Handschrift streng genommen nur die Schriftzüge oder den Namenszug des Schreibers bezeichnet, so ist der Ausdruck Urkunde, Document oder Schuldverschreibung als die gewöhnlichste Art dieser schriftlichen Versicherungen richtiger und deutlicher. Eine solche Urkunde kann von dem Aussteller selbst geschrieben oder blos und erschrieben sein; sie ist in beiden Fällen gleich verbindlich. Bevor indeß der Aussteller zur Leistung des Versprochenen gerichtlich angehalten werden kann, ist es nothwendig, daß er seine Unterschrift vor Gericht anerkennt. Es wird ihm zu diesem Zwecke die Urkunde in einem besonders dazu anberaumten Termine zur Anerkennung oder eidlichen Ableugnung vorgelegt. (S. Diffession.) Vom Augenblicke der Anerkennung an ist die Urkunde ein gemeinschaftliches Beweismittel, sodaß auch der Gegner sie zu seinen Gunsten gebrauchen kann; im Allgemeinen aber gilt die Regel, daß eine Urkunde für den Schreiber derselben nichts beweisen kann. Von dem Gegner im Processe kann man auch die Herausgabe (Edition) einer Urkunde verlangen, wenn man sein Interesse an ihr beweisen kann. Auf die Beschaffenheit der Urkunde kommt es an, was für eine Proceßart bei Einklagung der aus ihr entspringenden Verbindlichkeit gewählt werden darf. Die Formalitäten, welche die Gesetze bei Abfassung einer Urkunde vorschreiben, wenn durch sie eine schnellere Procedur als gewöhnlich gerechtfertigt werden soll, sind in den einzelnen deutschen Ländern verschieden. Eine Urkunde, welche den Executivproceß zuläßt, nennt man ein documentum guarentigiatum, d.i. ein solches Document, aus welchem sofort Alles erhellt, was zur Begründung der Klage und zur Verurtheilung des Beklagten erfoderlich ist. Zu den am häufigsten vorkommenden Urkunden in privatrechtlicher Beziehung gehören die Schuldverschreibungen. (S. Darlehn.)

Mehr der ursprünglichen Bedeutung des Wortes gemäß bezeichnet man mit Handschrift oder (lat.) Manuscript (auch Codex, Mehrzahl Codices) jedes größere oder kleinere Schriftwerk, wie es von der Hand des ersten Schreibers oder eines Abschreibers gekommen ist. Jedes gedruckte Werk muß daher einst als Handschrift existirt haben und vor Erfindung der Buchdruckerkunst existirten die Bücher nur als Handschriften. Da die später geschehenen Drucke dieser Bücher nach jenen Handschriften gemacht sind, sich bei dieser Gelegenheit Druckfehler eingeschlichen haben können, endlich die alten Handschriften desselben Werksselbst je nach der Sorgfalt und Bildung der Abschreiber mehr oder weniger voneinander abzuweichen pflegen, so müssen sorgfältige Herausgeber älterer Schriftsteller stets auf die Handschriften zurückgehen und aus der Vergleichung der verschiedenen Handschriften den Text, d.h. die ursprünglichen Worte des Schriftstellers mit möglichster Treue wiederherzustellen suchen. Ein solches Verfahren, unterstützt durch genaue Sprach- und Sachkenntniß, ist besonders bei den in einer fremden Sprache geschriebenen Werken nöthig. Aus dem Gesagten geht zugleich hervor, daß die alten und guten Handschriften für die Wissenschaften einen großen Werth haben, indem sie [327] keineswegs durch Druckschriften entbehrlich gemacht werden; man sammelt sie in Bibliotheken oft mit bedeutenden Kosten. Interessant und namentlich in historischer und rechtlicher Beziehung wichtig sind endlich auch alle diejenigen Handschriften, welche entweder von berühmten Männern herrühren (s. Facsimile) oder Bestimmungen über geschichtliche Verhältnisse und dergl. enthalten. Hierbei kommt es viel darauf an, das Alter der Handschrift aus dem Anblick derselben erkennen zu können, weil ausdrückliche Angaben der Zeit der Abfassung nicht immer vorhanden sind, und wo sie sich finden, nur dann Zutrauen verdienen, wenn die angegebene Zeit der Art und Weise, wie man damals Schriften abzufassen pflegte, entspricht. Man sieht hierbei auf den Stoff, dessen sich der Schreiber bedient hat, auf die Beschaffenheit der Tinte, die Form der Buchstaben, die angebrachten Abkürzungen, die Interpunction (welche in frühern Zeiten ganz fehlte), die Trennung der Worte, die Eintheilung in Capitel (welche ebenfalls erst später eingeführt wurden) und dergl. Besondere Berücksichtigung verdienen noch im Text selbst vorkommende Andeutungen, aus welchen sich Zeitbestimmungen entnehmen lassen. (Vgl. Diplom.) Die ältesten Handschriften sind diejenigen, welche man in der wiederausgegrabenen altital. Stadt Herculanum (s.d.) gefunden hat. Sie gehören dem 1. Jahrh. n. Chr. an.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 327-328.
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