Lollharden

[759] Lollharden oder Lollarden werden seit dem 14. Jahrh. zahlreiche Genossenschaften von Laien genannt, die dem drückenden Kirchenthum jener Zeit durch einen lebendigen Eifer für ein gemeinnütziges und werkthätiges Christenthum abzuhelfen suchten, worin sie den Begharden (s. Beguinen), mit denen sie bisweilen vermischt werden, ähnlich sind. Ihren Ursprung haben sie in den Niederlanden, wo zuerst in Antwerpen gutmüthige Leute sich zur Krankenpflege und Todtenbestattung verbanden und die wegen ihres mäßigen und bescheidenen Lebens Matemans, von ihrem Schutzheiligen Alexiusbrüder und von ihren Zellen, oder schlechten Wohnungen, Celliten oder Zellenbrüder genannt wurden. Den Namen Lollharden erhielten sie von dem niederdeutschen Worte Lollen oder Lullen, d.h. leise singen, weil sie bei Leichenbegängnissen einen dumpfen, traurigen Todtengesang anstimmten und überhaupt bei einsamen Andachtsübungen viel fangen. Ihr den Werken der Barmherzigkeit gewidmetes Leben empfahl sie; doch dadurch, daß sie theils den Geistlichen, theils den Bettelmönchen in den Weg traten, wol auch sich vom öffentlichen Gottesdienst entfernten, der ihr religiöses Bedürfniß nicht befriedigte und sich zu Schwärmereien hinreißen ließen, machten sie sich verhaßt und hatten bald harte Verfolgungen auszustehen, indem man sie mit den Begharden zusammenwarf. Besonders waren ihnen die Bettelmönche feind, weil sie die Einkünfte derselben verminderten, oder doch für die Geschenke, welche sie empfingen, etwas Gemeinnütziges thaten. Bald entstanden auch weibliche Gesellschaften der L. und beide verbreiteten sich von den Niederlanden nach Deutschland, wo sie Nollenbrüder und Nollenschwestern genannt wurden. Fürsten und Obrigkeiten schätzten die Lollharden als nützliche Gesellschaften, und um sie vor den Verfolgungen zu sichern, die durch die Inquisition über sie zugleich mit den Begharden ergingen, so wurden sie durch mehre Päpste ganz von der Gerichtsbarkeit derselben befreit und nur unter die Aufsicht der Bischöfe gestellt, bis sie von Sixtus IV. 1472 sogar unter die geistlichen Gesellschaften aufgenommen wurden, die unmittelbar unter dem Papste stehen. Noch bis in das 18. Jahrh. gab es in den Niederlanden und in Cöln fromme Brüderschaften, die von den Lollharden abstammten, aber von der ursprünglichen Bestimmung derselben ganz abgewichen waren. In England wurden auch die Anhänger Wiklefs Lollharden (Lollards) genannt, wegen der Ähnlichkeit des äußerlichen Betragens zwischen Beiden, mehr aber der alten Gewohnheit gemäß, allgemein verhaßte Ketzernamen Denen beizulegen, welche man geschwind in einen übeln Ruf bringen wollte. Die engl. Lollharden machten keine von der Kirche ganz abgesonderte und genau verbundene Gesellschaft aus, sondern lebten als mit der Kirche und deren Lehren Unzufriedene zerstreut in allen Ständen, zeichneten sich durch ein strenges und mäßiges Leben aus, verrichteten kurze und andächtige Gebete und waren auch mit Lernen und mit Unterrichtgeben beschäftigt. Sowol von der Geistlichkeit wie von der weltlichen Obrigkeit waren sie den härtesten Verfolgungen ausgesetzt und als Einer der Berühmtesten ihrer Partei wurde 1417 der durch seine Vaterlandsliebe, Kenntnisse und seinen Eifer für ein reines Christenthum ausgezeichnete Johann Oldcastle oder Lord Cobham hingerichtet. Dessenungeachtet konnten sie als muthige Bekenner der Lehren Wiklef's niemals ausgerottet werden, und als die Reformation auch in England Eingang fand, wirkten sie auf das Thätigste für die Verbreitung derselben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 759.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika