Mondsüchtige

[178] Mondsüchtige, Schlaf- oder Nachtwandler, werden Personen genannt, welche, besonders zur Zeit des Mondwechsels, des Nachts im Schlafe aufzustehen pflegen, umherwandeln, ohne dabei zu sehen und doch das Anstoßen und Fallen auf oft sehr gefährlichen Wanderungen, z.B. aus einem Dachfenster auf das Dach, mit ungemeiner Geschicklichkeit zu vermeiden wissen. Sie verrichten auch allerhand Geschäfte wie im Zustande des Wachens, kehren darauf in der Regel in ihr Bett zurück und schlafen ruhig weiter; wenn sie aber angerufen oder angehalten werden, so erwachen sie, ohne sich jedoch Dessen, was sie eben vorgenommen, bewußt zu sein. Manche öffnen dabei die Augen halb oder ganz, die Mehrzahl aber hält sie geschlossen und diese sehen nur mit Hülfe ihres Gedächtnisses oder der Einbildungskraft, wie dies auch im Traume der Fall ist, verwechseln aber dann wol auch einen Gegenstand mit dem andern. Manche hören gar nicht und werden dann selbst durch das stärkste Geräusch nicht erweckt; andere hören sehr leise und erwachen leicht, noch Andere hören und beantworten an sie gerichtete Fragen, ohne zu erwachen. Scheint auch diese sonderbare Krankheit meist auf einer eigenthümlichen Stimmung der Nerven, vermöge welcher ein vom Einflusse des Mondes abhängiger Zustand von Schlafwachen eintritt, zu beruhen, so mag sie doch auch nicht selten durch eine üble Gewohnheit wenigstens befördert und unterhalten werden. Personen von sogenannter nervöser Körperconstitution und sehr reizbarem Temperament scheinen ihr mehr ausgesetzt zu sein als Andere, so Frauen mehr als Männer, junge, in den Jahren der sich entwickelnden Mannbarkeit stehende Leute mehr als sehr kleine Kinder und Greise. Außerdem scheinen eine heftige Leidenschaft, wie z.B. eine zärtliche, innige, vielleicht nicht erwiederte Zuneigung, ein lebhafter Kummer, zu angestrengte geistige Beschäftigung, Ausschweifungen in der Liebe, das Laster der Selbstbefleckung, der Misbrauch starker geistiger Getränke, der Genuß zu vieler oder unverdaulicher Nahrungsmittel, besonders des Abends, den Ausbruch der Krankheit zu befördern. Ein zweckmäßiges Mittel, den oft lebensgefährlichen Unternehmungen solcher Kranken zuvorzukommen, ist, rings um ihr Nachtlager den Fußboden mit nassen Tüchern zu bedecken, um sie sogleich beim Verlassen ihres Lagers durch das Gefühl der Nässe und Kälte an den Füßen zu wecken. Manche, bei denen das Schlafwandeln hauptsächlich auf einer übeln Angewöhnung beruht, werden auch wol durch körperliche Züchtigungen nicht nur aus dem Anfalle selbst erweckt und zur Besinnung gebracht, sondern auch gründlich geheilt. Dagegen muß man durchaus unterlassen, während sie auf gefahrvollen Wegen wandeln, sie durch Anrufung ihres Namens oder auf andere Art zu wecken, weil sie sonst leicht zu Schaden kommen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 178.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika