Nest

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[266] Nest ist der allgemeine Name für von Thieren irgendwo und vorzüglich zum bequemen Aufkommen ihrer Jungen mehr oder weniger künstlich hergerichteter Orte, Schlupfwinkel oder Behältnisse.

Sie bilden dieselben aus Reisern, Laub, Halmen, Moos und dergl., die sie zu einem Lager zusammenhäufen oder aus denen sie sich oft unter Mitbenutzung von Lehm und Erde Wohnungen flechten und bauen, wie besonders die kleinern Vögel. Man versteht aber auch unter Nest die in einem solchen beisammen befindlichen Jungen und spricht von einem Nest Mäuse so gut wie von einem Nest Zeisige oder Sperlinge, nennt auch Raupennester die Gespinnste, die mehre Arten Raupen sich bereiten, um darin gemeinschaftlich zu hausen, oder die Hülle, welche sich einzelne, wie z.B. die Baumweißlinge, aus Blättern im Herbst zusammenrollen, mit Fäden an den Zweigen befestigen und darin überwintern. Insbesondere versteht man unter Nestern aber doch Vogelnester, welche bei den Raubvögeln auch Horst genannt werden und von denen die der kleinern Vögel mitunter höchst geschickt und künstlich angelegt sind. Die gewöhnliche Form derselben ist eine oben offene Halbkugel, wie das hier beinahe in natürlicher Größe abgebildete, aus zartem Moos, Wolle, Spinnenfäden und ähnlichen Dingen geflochtene Nest des Goldhähnchens, des kleinsten in Deutschland heimischen Vogels. Viele Sumpf- und Wasservögel scharren sich an erhöhten, trockenen Stellen ihres Lieblingsaufenthalts nur Vertiefungen und füttern diese mit Halmen aus, die Störche aber bauen sich Nester vom Umfange eines Wagenrades auf die Wipfel hoher Bäume und auch auf die Dächer ländlicher Wohnungen. Die Rauchschwalben bringen ihr ebenfalls halbkugeliges und oben offenes Nest, das sie, wie die Hausschwalben ihr oben zugewölbtes, aus Lehm, Koth und darunter gekneteten Halmen erbauen, gern in Hausfluren, auf Böden und Speichern an; der Teichsänger oder kleine Rohrsänger befestigt sein tiefes Nestchen in geringer Höhe über dem Wasser zwischen einigen Rohrstengeln; die Schwanzmeise dagegen baut ihr eiförmiges Nest zwischen die Äste oder hängt es an einem gabelförmigen Zweige auf. Von außen ist es stets mit dem Moos oder den Flechten überzogen, welche an dem Baume wachsen, auf welchen es sich befindet, und der kleine Eingang desselben ist zum Schutze gegen die Witterung noch mit einer großen Feder bedeckt. Von den in Europa [266] heimischen Vögeln sind vorzüglich als künstliche Nestbauer die Beutelmeise (s. Meisen) und der Pirol (s.d.) berühmt. Ganz eigenthümlich nisten in Afrika die geselligen Kernbeißer, deren sich hunderte ein gemeinschaftliches Dach für ihre Nester anlegen (s. Kernbeißer), sowie einige andere dort und in Ostindien einheimische Arten derselben, die sogenannten Webervögel, welche ihre kugelförmigen Nester aus Halmen gleichsam weben, an Baumzweigen und häufig über dem Wasser aufhängen und eine nach unten gehende Röhre als Zugang anbringen. Endlich baut eine an den Küsten und auf den Inseln Ostindiens vorzüglich nistende kleine Schwalbenart, die Salangane, sogar eßbare Nester, welche durchscheinend sind, gelblichweiß aussehen und lagenweise aus einer Art Gallerte bestehen, welche diese Vögel aus einem weißlichen Seetang bereiten, den sie, vielleicht mit gallertartigen Seethieren vermischt, zuvor kauen. Dies sind die berühmten indianischen Vogelnester, die zu den kostbarsten Leckereien der Chinesen und Japaner gehören, welche ihnen vorzüglich stärkende Kräfte zuschreiben. Sie werden meist in Fleischbrühe gekocht und stehen hoch im Preise, weil sie sehr mühsam zu erlangen und auch nur die zum Genuß tauglich sind, welche eine gewisse Durchsichtigkeit besitzen, während die unreinen blos zur Leimbereitung gebraucht werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 266-267.
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