Potemkin

[549] Potemkin (Gregor Alexandrowitsch, Fürst von), der einflußreichste von allen Günstlingen der russ. Kaiserin Katharina II., der zuletzt die Würden eines Generalissimus aller russ. Armeen, eines Großadmirals sämmtlicher Flotten und Großhetmans der Kosacken, eines deutschen Reichsfürsten, fast alle vornehmsten Orden der Fürsten seiner Zeit und als Kriegsminister, sowie seit 1778 als Minister der auswärtigen Angelegenheiten, fast unbeschränkte Gewalt besaß, war 1736 auf dem Gute seiner Ältern bei Smolensk geboren und für den geistlichen Stand bestimmt. Er vertauschte jedoch seine deshalb in Moskau begonnenen Studien mit dem Kriegsdienst und war Fahnenjunker in der reitenden Garde, als 1762 Katharina ihren Gemahl Peter III. vom Throne stürzte. Indem sie bei dieser Gelegenheit in männlicher Uniform durch die Reihen der Soldaten ritt, um sich der Dienste derselben zu versichern, bemerkte P., daß sie an ihrem Degen kein Porte d'Epée habe und überreichte ihr sofort das seinige. Dadurch lenkte er zuerst die Blicke der Kaiserin auf sich, welche ihn Tags darauf zum Obersten ernannte, mit dem Bericht des Vorgefallenen an den schwed. Hof schickte und den durch stattliche Persönlichkeit ausgezeichneten P. nicht mehr aus den Augen verlor. Dieser suchte sich natürlich in ihrer Gunst zu befestigen, wurde auch kais. Kammerherr und Generalmajor, mußte aber auf Betrieb des Grafen Orloff (s.d.) 1770 doch die Residenz verlassen und zu dem gegen die Türken fechtenden Heere abgehen. Noch während seiner Abwesenheit wählte Katharina II. an Orloff's Stelle einen andern Günstling und P. wurde zwar mit der Beförderung zum Generallieutenant für seine Dienste im Felde belohnt, gelangte aber erst 1776 zum Besitze des unbedingten Vertrauens der Kaiserin, der er sich so unentbehrlich zu machen wußte, daß er unbegrenzten Einfluß auf die gesammte Staatsverwaltung auch dann behielt, als er die Stelle ihres Lieblings nicht mehr bekleidete. Sie mochte den unerschrockenen und jedem Widerstand mit kühner Gewaltthätigkeit begegnenden P., welchen der Großfürst und seine Anhänger bitter haßten, für ihre eigne Sicherheit nothwendig halten und schickte sich daher sogar in seine Launen. P. trug dagegen seine Macht oft übermüthig zur Schau, gab überhaupt Alles auf Sinnengenuß und äußern Prunk und Ehrsucht; Eitelkeit und grenzenlose Habsucht bestimmten seine Entschließungen in politischen Angelegenheiten weit mehr, als die höhern Zwecke des Staates. So außerordentlich seine Einkünfte, so häufig und reich die Geschenke der Kaiserin waren, unterschlug er doch noch große Summen aus Staatskassen und war sogar der Bestechung durch fremde Mächte zugänglich. Wie mit seinen Schätzen prunkte er auch mit seiner Macht, behandelte die Angesehensten mit rohem Übermuthe, selbst die fremden Gesandten oft mit wegwerfendem Stolze, und nahm z.B. den ihm vom König von Preußen verliehenen schwarzen Adlerorden mit der Äußerung an, daß er dem Könige zwar sehr dankbar dafür sei, aber wirklich nicht wisse, wie er die Menge derartiger, ihm zu Theil gewordener Auszeichnungen nebeneinander ordnen solle. Überhaupt war P. der Hinneigung zu Preußen stets entgegen und schloß sich mehr an Östreich, mit dem vereint er die Bekämpfung der Türken in Europa zu betreiben gedachte. Auf seine Veranstaltung nahm Rußland 1783 die wenig Jahre vorher als unabhängig anerkannte Krim oder Halbinsel Taurien in Besitz und ließ dabei gegen 30000 Tataren von jedem Alter und Geschlecht niedermachen, welche der Kaiserin die Huldigung verweigerten. Als Generalgouverneur dieser Provinz, deren bessern Anbau er nachher mit grausamer Härte betrieb, erhielt er den Ehrennamen des »Tauriers« und ein ihm später geschenkter Palast in Petersburg heißt deshalb noch der taurische Palast. Als 1787 die von P. vielfach gereizten Türken einen neuen Krieg wider Rußland begannen, übernahm er den Oberbefehl und eroberte 1788 nach halbjähriger Belagerung die Festung Oczakow mit Sturm, wobei mehr als 30,000 Menschen von beiden Seiten umkamen, was ihm aber das vielgewünschte große Band des russ. St.-George nordens, sowie andere kostbare Geschenke und Auszeichnungen einbrachte. Bei seiner Rückkehr nach Petersburg im März 1791 wurden ihm von der Kaiserin noch mehr außerordentliche Ehrenbezeugungen zu Theil, worauf er sich im Aug. zu den Friedensverhandlungen nach Gallacz begab; allein noch vor Beendigung derselben wurde P. von der im Heere herrschenden Seuche ergriffen und erlag ihr am 16. Oct. 1791 auf der Reise nach dem von ihm 1778 am Dnjepr gegründeten Nikolajew oder Cherson, wohin er sich seiner Genesung wegen begeben wollte. Aus dem Wagen gestiegen, starb er unter einem Baume an der Landstraße unter der Pflege seiner ihn begleitenden Nichte, der Gräfin Branicka, und wurde darauf zu Cherson beigesetzt. Das ihm von Katharina II. bestimmte Grabmal blieb jedoch unausgeführt; ihr Nachfolger, der Kaiser Paul, ließ die Überreste des gehaßten Günstlings in den Festungsgraben werfen und erst 1830 wurde von der Stadt P.'s Bildsäule von Erz aufgestellt. P. hinterließ [549] ein Vermögen von ungefähr 50 Mill. Thlr., obgleich ihm zur Befriedigung seiner Wünsche keine Verschwendung zu groß gewesen war. Übersättigt von allen Genüssen, scheint ihm unter den Künsten vorzüglich die Musik dauerndes Behagen gewährt zu haben, indem er stets gegen 80 Musiker in seinem Gefolge hatte. Bei vielem natürlichen Verstande gingen ihm doch gründliche Einsichten in Staats- und Regierungssachen gänzlich ab und die Mittel zur Erreichung seiner Zwecke galten ihm daher auch völlig gleich.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 549-550.
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