Salzmann

[29] Salzmann (Christian Gotthilf), als Erzieher und Stifter einer berühmten Erziehungsanstalt bekannt, wurde 1744 zu Sömmerda im Erfurtischen geboren, wo sein Vater Prediger war, der ihm eine fromme Erziehung gab. Sich demselben Berufe widmend, studirte S. seit 1761 zu Jena, wurde 1768 Pfarrer zu Rohrborn in Erfurtischen, 1772 Diakonus an der Andreaskirche zu Erfurt und bald darauf Pastor an derselben. Wegen der Popularität seines Vortrags fand er hier vielen Beifall, doch wegen der Freimüthigkeit seiner Denkweise auch viele Gegner. Das Studium der Schriften Rousseau's und Basedow's (s.d.), sowie sein eigner Sinn für das Naturgemäße und für Einfachheit leiteten ihn darauf, bei der Erziehung seiner eignen Kinder zuerst die Basedow'sche Erziehungsmethode anzuwenden und die Ideen derselben weiter auszubilden. Dadurch erwachte zugleich der Trieb, als pädagogischer Schriftsteller und praktischer Erzieher zu wirken, in ihm, und er machte sich zuerst durch seine »Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde« (8 Bde., Lpz. 1778–87) und noch mehr durch sein vortreffliches »Krebsbüchlein, eine Anweisung zur unvernünftigen Kinderzucht« (Erf. 1781; 5. Aufl. 1819) bekannt und gab dadurch seinen Beruf zum Erzieher zu erkennen. In Folge einer Berufung von Basedow an dessen Philanthropin zu Dessau, legte er sein Pastorat 1781 nieder und trat als Religionslehrer in jenes Institut ein. Trotz seiner Begeisterung jedoch, mit der er diese Stellung eingegangen war, fühlte er sich hier unbefriedigt, weil es dieser Anstalt an Einheit in der Leitung fehlte. Neben seinem Berufe beschäftigte er sich also noch mit Schriftstellerei und erwarb sich durch seinen Roman »Karl von Karlsberg oder über das menschliche Elend« (6 Bde., Lpz. 1783–86) literarischen Ruf. Durch diesen und den dadurch erlangten Erwerb bewogen, gab er seine Stellung in Dessau 1784 wieder auf, kaufte sich das Landgut Schnepfenthal im Gothaischen, und gründete hier zuerst auf eigne Hand eine Erziehungsanstalt, deren Zöglinge anfangs nur seine eignen Kinder und einige Pflegesöhne waren. Freunde unterstützten ihn bei dem Baue des Institutsgebäudes, dem er eine sehr angenehme Lage auf einem Hügel gab, die eine reizende Aussicht auf die romantischen Umgebungen bietet, und es fanden sich nach Beendigung des Baues auch bald geschickte Mitarbeiter, welche sich später als einsichtsvolle Erzieher oder pädagogische Schriftsteller rühmlichst bekannt gemacht haben. Die naturgemäße, auf körperliche Gesundheit hinwirkende Erziehung, die er den Zöglingen seiner Anstalt angedeihen ließ, die fröhliche, sittliche aber ungezwungene Lebensweise derselben, die heitern Spiele, die körperlichen Übungen, die die Kindheit anziehende rothe Uniform, die Reisen, welche S. mit ihnen unternahm, und endlich seine gemüthvolle, für Kinder passende Darstellungsweise in seinen Jugendschriften gewannen ihm die Liebe und das Vertrauen der Altern in hohem Maße. So erhielt er nach und nach die Kinder angesehener und reicher Familien des Auslandes, aus der Schweiz, aus England, Portugal und den nord. Reichen, selbst Prinzen als Zöglinge zugesandt. Schnepfenthal wurde dadurch und durch die weise Wirthschaftlichkeit des Gründers immer ausgedehnter und vollkommener und gelangte bald zu allgemeinem Rufe. Außer sehr vielen Kinder- und Erziehungsschriften gab S. nun auch ein durch dessen populaire Fassung vielgelesenes Volksblatt, den »Thüringer Boten« heraus. Unter den pädagogischen Schriften wären besonders zu erwähnen: »Konrad Kiefer, oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung«; »Das Ameisenbüchlein oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher«, und seine Schrift über die heimlichen Sünden der Jugend. Das Eingehen seiner Mitarbeiter in seine Grundsätze und Anordnungen gab bald der Anstalt eine solche Einheit, daß sie nur wie ein erweiterter Familienkreis erschien, in welchem Liebe, Eintracht und Frömmigkeit Alle zu Einem Geiste und Streben verband, der von S., als dem Hausvater, ausging. Sechs der Lehrer wurden seine Schwiegersöhne, zwei seiner Söhne Lehrer und mehre der Töchter ertheilten Unterricht an der Anstalt. Das Institut erweiterte sich allmälig zu vier Gebäuden, von denen das eine den Speisesaal, den Betsaal und das Naturaliencabinet nächst der Wohnung des Directors enthält. Der Platz für die Turnübungen liegt nahe an einem Laubwäldchen, und ein klarer Teich dient zum Baden und für die Schwimmübungen. S. starb am 31. Oct. 1811. Klarheit und Einfachheit, kurze, höchst populaire Darstellungsweise zeichneten seine Schriften, Zweckmäßigkeit und Liebe seine Belehrungen und Anordnungen aus; sein Hauptzweck bei Allem, was er that, lehrte und schrieb, war praktische Wirkung. Nach seinem Tode übernahm sein Sohn, Karl Salzmann, die Leitung des Instituts. Vgl. Salzmann's »Kurze Nachricht über die gegenwärtige Einrichtung der Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal« (ebendaselbst 1835).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 29.
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