Blumen (natürliche)

[101] Blumen (natürliche) und Blüthen sind verwandte Gegenstände, die im gewöhnlichen Sprachgebrauch auch häufig verwechselt werden, obgleich sie ihrer Natur und Beschaffenheit nach völlig verschieden sind. (Siehe Blüthen.) Blumen nennt man nur diejenigen Gewächse, welche bloß wegen ihrer Blüthe gezogen werden, bei denen eben diese Blüthe einziger Zweck ist, während man die Blüthe der Fruchtgewächse, Obst- und andern Bäume nur als Vorläufer, Verkündiger der künftigen Frucht, nicht als Culminationspunkt ihres Lebens betrachten kann. Die reiche Schöpfung der Blumen macht einen Hauptzweig der Botanik aus, den poetischsten, erfreulichsten Theil derselben, dem sich jeder Naturfreund, jedes für Schönheit empfängliche Gemüth mehr oder weniger widmet. Die Blumen schmeicheln den Sinnen durch die Pracht ihrer Farben, durch ihre liebliche Form und Gestalt, durch Wohlgerüche aller Art; und selbst das einfachste, bescheidenste Feld- und Wiesenblümchen entfaltet bei genauerer Betrachtung verborgene Reize. Wer kalt und unempfindlich an einem blühenden, duftenden Blumenbeet vorübergehen kann, dessen Herz ist keines innigen Gefühls fähig, dessen Leben ist ohne Poesie, dessen Fantasie erstorben oder nur mit prosaischen Gegenständen beschäftigt. Die Welt der Blumen spricht auch ohne Blumensprache, schon als laute Stimme der Natur zum Menschen, und man findet oft, besonders bei zarten weiblichen Gemüthern eine Liebe zu denselben, wie zu lebenden Wesen. Und die Blume lebt[101] ja auch, wenn gleich meistens nur ein kurzes, flüchtiges Leben. Sorgfältige Pflege kann dieses möglichst lange erhalten, so wie Vernachlässigung zu früh zerstören. Frische Blumen dienen zum schönsten Schmuck der blühenden Jugend, ein Bild des heitern Lebens; aber sie begleiten auch jedes Zeitalter – Kindheit, Jugend und Alter aus dem Leben. Die liebende Hand bestreut den Sarg mit Blumen, schmückt das Haupt des Todten mit Blumen, bekränzt sein Grab mit Blumen. Jedes Fest, jede Feier wird durch Blumen verherrlicht, und der Aermste wie der Reichste bringt seine Huldigung durch diese Naturgabe dar. Die Blumen sind das Sinnbild des Frühlings – ein Kind mit einem Körbchen voll Blumen in der Hand; – die Hoffnung wird mit einer Blume in der Hand abgebildet, selbst die Liebesgöttin schmückten unsere Vorfahren mit Blumen Der Ueberbringer einer glücklichen Nachricht war mit Blumen bekränzt; Liebhaber schmückten die Häuser ihrer Geliebten mit Blumengewinden und Kränzen; bei fröhlichen Gastmählern trug man Blumen auf dem Haupte und am Halse. Bei den ersten Christen wurden die Blumen als das Sinnbild der Geschenke des heiligen Geistes betrachtet; daher warf man am Pfingstfeste von der Decke der Kirche Blumen auf die Versammlung der Gläubigen herab. – Wenn der rauhe Winter unseres Klima's das Blumenleben im Freien zerstört, wenden wir den zartern Stubengewächsen unsere Sorgfalt zu und üben im Kleinen aus, wovon uns der Kunstgärtner in seinen Gewächshäusern im Großen ein Beispiel gibt Doch erfordern diese Treibhaus- oder Stubenpflanzen nicht allein Kenntniß ihrer Behandlung, günstiges Tages- und Sonnenlicht, Vermeidung des Staubes und Rauchs, die sorgsamste Pflege und wahre Liebe, sondern auch eine glückliche Hand, ohne welche sie nicht gedeihen. – Eine genaue Beschreibung der Blumen, ihrer Eintheilung, Dauer u. s. w. gehört nicht hierher, deßhalb nur einige allgemeine Kennzeichen. Die Blume enthält die Befruchtung des Gewächses, und wo sie erscheint, hört der Wuchs[102] derselben auf. Sie besteht aus Blumendecke oder Kelch, Blumenkrone, Staubgefäßen und Staubträgern und Fruchtknoten. Einige Blumen blühen nur wenige Stunden, andre mehrere Wochen. Wenn die Krone nur aus einem Blatt besteht, nennt man sie einblättrig, aus zweien zweiblättrig, und so fort, bis die Zahl über sechs ist: dann heißt sie vielblättrig. Die Blumenkrone ist das Bewunderungswürdigste an der ganzen Pflanze, sowohl wegen ihrer Zeichnung und Farbenpracht, als auch wegen der Künstlichkeit ihres Baues. Die meisten Blumen schrumpfen gleich nach dem Abschneiden (wenn sie nicht in Wasser gestellt werden) zusammen; nur die sogenannten unsterblichen, Immortellen erhalten abgepflückt noch Jahre lang ihre Frische und Farbe. Manche Blumen stehen zu mehreren, oft bündelweise gehäuft auf einem Stiel, andre einzeln. Die Farben sind so verschieden wie die Blumen selbst, und noch mehr, da gewöhnlich jede Blume in mehrern Farben zu finden ist, wie die Rose, Tulpe, Nelke, Aurikel u. s. w. Die Befruchtung der Blumen geschieht bei den sogenannten Zwitterblumen (wo beide Geschlechter in einer Blume vereinigt sind) durch keimenden Samen und durch das Hinzutreten eigner Blüthentheile in den Fruchtknoten, durch die Narbe in der Blüthe. Wenn die weibliche und männliche Blüthe sich auf demselben Stamm befinden, oder auch wenn sie auf verschiedenen Stämmen getrennt, doch in erreichbarer Nähe stehen, wird der Samenstaub durch Wind oder Insekten von der männlichen zu der weiblichen Blüthe getragen. Alle Blumen dienen den Bienen zur Nahrung.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 101-103.
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