Schleswig [1]

[93] Schleswig, dänisches Herzogthum, zwischen der Nord- und Ostsee. Jütland und Holstein gelegen. 167 QM. groß mit 363000 E. Die Westseite ist größtentheils niedere Marsch, welche durch Deiche geschützt werden muß, der mittlere Landrücken zum Theil Haide, die Ostseite hügelig, mit schönen Buchenwäldern und fruchtbarem Ackerboden. An der Westküste liegen die Inseln Romöe, Sylt, Pelworn, Nordstrand u. 14 kleinere. die sogen. Halligen, die weder durch Dünen noch Dämme gegen die furchtbaren Sturmfluten geschützt sind; an der Ostküste die Inseln Alsen, Arröe, Femarn. Die bedeutendsten Meerbusen sind der Eckernförder, Schleswiger, Flensburger, Apenrader, Haderslebener. Gränzfluß ist die Eider, welche die Treene aufnimmt; in die Nordsee fließen ferner Sholmaa, Syderaa, Widaa, Bredaa, Fladsaa u. Kongeaa; von den vielen Landseen sind der Wittensee u. Gotteskoogsee die beträchtlichsten. Klima u. Produkte sind wie in Holstein; die Einwohner sind sächsischen, friesischen und im Norden dänischen Stammes. Das Herzogthum S. ist durch die dän. Staatsverfassung und seit 1853 durch die Landesverfassung als »unzertrennliches Zubehör der dän. Krone« erklärt, hat eigene Provinzialstände, an der Spitze der Verwaltung einen nur dem Könige verantwortlichen Minister; in Beziehung auf auswärtige Angelegenheiten, Finanzen, Krieg und Marine steht es unter dem Ministerium des dän. Gesammtstaats. S., vor Alters ein Theil der cimbrischen Halbinsel, wurde wahrscheinlich zur Zeit der Völkerwanderung von einem Theil seiner angelsächsischen Bewohner verlassen und hierauf größtentheils von den Dänen erobert. Kaiser Heinrich I. trieb sie zurück u. errichtete 931 die Markgrafschaft S., Otto I. sicherte sie, Konrad II, aber überließ sie Dänemark und setzte die Eidergränze fest. S. war seitdem Anhängsel Dänemarks und wurde gewöhnlich jüngeren Prinzen gegeben, bot aber eben dadurch Anlaß zu Erbstreitigkeiten. 1386 kam S. als dän. Lehen an den Grafen Gerhard von Holstein; nach dem Erlöschen seines Stamms erwählten die Stände von S. u. Holstein 1460 den Schwestersohn des letzten Grafen (Adolf VIII.), Christian von Oldenburg, den 1448 die dän. Reichsstände als Christian I. zum König erwählt hatten, zum Fürsten in S.-Holstein. Dieser versprach in der Urkundung der Landesrechte, daß »die Herzogthümer ewig zusammenbleiben sollen ungetheilt«. Aber die Theilungen der Herzogthümer unter Prinzen dauerten mit allen ihren Uebeln fort; 1544 trat die bekannte Theilung der dänisch.-oldenburg. Linie in die königl. und die [93] holstein-gottorpsche ein, mit derselben aber nur eine neue Phase des Streits, bis die herzogl. 1721 in S., 1773 auch in Holstein unterlag. Darauf, daß 1721 König Friedrich IV. S. als ein verwirktes dän. Lehen einzog, berufen sich die Dänen gegenüber der Urkunde von 1448. Die Landesverfassung nach der Urkunde von 1448 schlief seit dem 17. Jahrh. ein und wurde 1802–6 förmlich aufgehoben, namentlich bei der Auflösung des deutschen Reichs Holstein als integrirender Bestandtheil der dän. Monarchie erklärt. Nach 1815 machten Prälaten und Ritterschaft der Herzogthümer, deren Corporation ihre Zusammenkünfte nie ganz aufgegeben hatte, einen Versuch, die landständische Verfassung, besonders ihre Steuergerechtsame wiederherzustellen, fanden aber 1822 bei dem deutschen Bunde, dessen Vermittelung sie angerufen hatten, keine Unterstützung. 1834 erhielt jedes Herzogthum berathende Provinzialstände, die dem Socialnexus der s.-holstein. Ritterschaft aber keinen Eintrag thun solle; da indessen das Bestreben Dänemarks, bei dem voraussichtlichen Erlöschen des dän. königl. Mannsstammes die Folgen des für Dänemark und Holstein verschiedenen Erbgesetzes um jeden Preis zu verhindern u. die Herzogthümer bei Dänemark zu erhalten, sich offen kund gab und die Danisirung S.s immer eifriger betrieben wurde, die Herzogthümer überdies gerechte Klagen über verschiedene Beeinträchtigungen erheben konnten, so wuchs die Erbitterung des deutschen und dän. Elements immer mehr und der fast mit der Februarrevolution von 1848 zusammenfallende Tod Königs Christian VIII. führte zum Ausbruche. Am 23. März 1848 bildete sich eine provisorische Regierung für die Herzogthümer, der holstein. Angriff auf S. wurde aber von den Dänen bei Bau blutig abgewiesen. Die Preußen schlugen hierauf die Dänen bei S. u. rückten selbst in Jütland ein, räumten es aber wieder in Folge des Waffenstillstandes von Malmöe; die Herzogthümer constituirten sich dessenungeachtet am 22. Oct. 1848 unter der Aegide des deutschen Parlaments und der von Dänemark im März 1849 erneuerte Krieg brachte demselben die Schlappen bei Eckernförde und Kolding ein, die durch den glücklichen Ausfall aus Friedericia (Nacht vom 5.–6. Juli) nicht aufgewogen wurden. Indessen ermattete das deutsche Parlament bis zur Ohnmacht und löste sich endlich auf, Preußen wollte für S.-Holstein keinen Kampf gegen Rußland und die Westmächte übernehmen und so wurden die Herzogthümer im Sommer 1850 ihrem Schicksale überlassen. Das s.-holstein. Heer. 27000 Mann stark, unter dem preuß. General Willisen, wurde am 25. Juli bei Idstedt nach heißem Kampfe von den Dänen zurückgeworfen, der Angriff auf Friedrichsstadt (Sept. u. Oct.) blieb erfolglos u. im Jan. 1851 schritt endlich die wieder hergestellte deutsche Bundesversammlung ein. Oesterr. und preuß. Truppen besetzten Holstein, übergaben es 1852 den Dänen u. durch Protokoll vom 18. Mai 1852 wurde durch die europ. Großmächte die dän. Thronfolge geregelt, zugleich die Integrität der dän. Monarchie garantirt. S. erhielt seine neue Verfassung 1853. Holstein 1854 und in beiden Ländern schaltet die dän. Reaction ungestört. (Vgl. »S.-Holsteins Geschichte« von Waitz, Bd. I. u. II., Götting. 1851–54; Samwer »Die Staatserbfolge in den Herzogthümern S.-Holsteins«, Hamb. 1844; über dasselbe Thema Michelsen, Leipzig 1844 bis 1846; von dän. Seite die Schriften von Dirking Holmfeld, Ostwald, Allen.)

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 93-94.
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