Auferstehung Jesu

[88] Auferstehung Jesu. Obgleich die Berichte der biblischen Schriftsteller über die A. I. und die Erscheinungen des Auferstandenen so weit und so widerspruchsvoll auseinander gehen, daß man die A. I. in Bezug auf die einzelnen Tatsachen das dunkelste Faktum im ganzen Quellengebiet neutestamentlicher Geschichte nennen konnte, so ist doch nichts geschichtlich gewisser, als daß die Apostel bie A. I. nicht nur einmütig (1. Kor. 15, 11) geglaubt, sondern auch ihr Evangelium und die neue Gemeinde darauf gegründet haben, und daß nach dem historisch unanfechtbaren Zeugnis des Apostels Paulus (1. Kor. 15, 4–8), wo sechs [88] Erscheinungen ausgeführt werden, während die evangelischen Berichte noch vier andre erwähnen, diesem Glauben eine Tatsache zu Grunde gelegen haben muß. Desto schwieriger aber ist es, eine klare Erkenntnis von dieser Tatsache oder auch nur von der Art zu gewinnen, wie sie in der Vorstellung der Schriftsteller sich widerspiegelte. Denn während auf der einen Seite der Auferstandene ein ganz natürliches menschliches Leben in einem gewöhnlichen materiellen Leib zu führen scheint (er geht, ißt, läßt sich betasten), finden sich auch Züge, die auf eine geisterhafte, ja fast gespenstische Daseinsweise führen könnten. Eine Lösung dieses Widerspruchs sucht man auf dogmatischem Boden gewöhnlich in der Annahme zu finden, daß der vollendete Jesus seinen materiellen, von ihm bereits abgelegten Leib in transitorischer Weise nochmals und wiederholt »wie ein Kleid« angelegt habe, um seine Gläubigen von der Tatsächlichkeit seines ewigen Lebens zu überzeugen. Unter den geschichtlichen Lösungsversuchen ist die rationalistische Auffassung von einem Scheintod jetzt fast allgemein verworfen, weil sie wohl die A. I., aber nicht die Möglichkeit ihrer großen religiösen Wirkung erklärt. Dafür ist dermalen um so verbreiteter die Visionshypothese, welche die Erscheinungen des Auferstandenen für Vorgänge des innern Seelenlebens der Jünger erklärt und sich dabei hauptsächlich auf den Umstand beruft, daß auch Paulus die ihm gewordene, wahrscheinlich visionäre Erscheinung ihrem Wesen nach mit den übrigen von ihm berichteten Vorgängen auf eine Linie setzt.

Jesu Auferstehung ist seit den frühesten Zeiten christlicher Kunst Gegenstand der bildnerischen Darstellung gewesen, so häufig auf elfenbeinernen Buchdeckeln, in Miniaturen, Holzschnitten, Kupferstichen und Fresken. Doch besitzen wir von keinem Meister aus der Blütezeit der Kunst eine Darstellung der A. I., die als klassisch bezeichnet werden kann. Raffael wagte sich an den Stoff. kam aber nicht über den Entwurf hinaus. Eine Auferstehung Christi von Perugino befindet sich in der Galerie des Vatikans in Rom, eine von A. Carracci im Louvre zu Paris. Häufig sind auch Darstellungen des Auferstandenen mit Heiligen (mit vier Heiligen von Fra Bartolommeo im Palazzo Pitti zu Florenz, mit zwei Heiligen, angeblich von Leonardo da Vinci, im Berliner Museum).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 88-89.
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