Brutus

[516] Brutus, 1) Lucius Junius, Roms Befreier von der Königsherrschaft und erster Konsul, Sohn des M. Junius und der Tarquinia, der Schwester des Königs Tarquinius Priscus. Als Tarquinius Superbus alle, die ihm gefährlich schienen, tötete, ließ er diesen allein leben, weil er sich blödsinnig stellte (daher sein Name »B.«, soviel wie vernunftlos), was jedoch der Sage nach seine Ernennung zum Oberbefehlshaber der Reiterei nicht hinderte. In der Empörung gegen die Tarquinier, die nach Lucretias Tod in Rom ausbrach, bewog er das Volk, den König abzusetzen und mit seiner Familie zu verbannen und wurde mit Lucretias Gatten Tarquinius Collatinus zum Konsul gewählt. Der vertriebene König stiftete eine Verschwörung unter den jungen Adligen in Rom an, an der sich auch des B. beide Söhne beteiligten; diese wurde aber entdeckt, die Verräter zum Tode verurteilt und die Strafe unter den Augen des Vaters vollzogen. Als darauf Tarquinius mit Vejentern und Tarquiniern gegen Rom heranzog, fiel B. selbst vor der Entscheidungsschlacht am Wald Arsia im Einzelkampf mit Aruns Tarquinius (509 v. Chr.). Seine Bildnisse auf erhaltenen römischen Münzen sind spätere Erfindung.

2) Marcus Junius B., der letzte Kämpfer für die römische Republik, geb. 85 v. Chr., gest. im Herbst 42, Sohn des Marcus Junius Brutus und der Servilia, einer Stiefschwester des Cato Uticensis, plebejischen Geschlechts und mit dem Gründer der Republik nicht verwandt. Obgleich Pompejus seinen Vater, der sich 78 dem Lepidus angeschlossen, besiegt und getötet hatte, wandte er sich doch, wie sein Oheim, der von ihm verehrte Cato, dessen Partei zu, als er sich zum Verteidiger der Republik aufwarf, focht mit diesem bei Pharsalus, ergab sich aber darauf (48) dem Cäsar, der ihn gnädig aufnahm. Dessenungeachtet ließ er sich durch das Zureden des Gajus Cassius und durch Mahnungen, die an ihn als den Träger des Namens des Befreiers Roms ergingen, zur Teilnahme an der Verschwörung bewegen, der Cäsar 15. Mär.; 44 erlag (s. Cäsar), verhinderte aber die von den andern Verschwornen verlangte gleichzeitige Ermordung des M. Antonius, der bei der öffentlichen Leichenfeier zu Ehren Cäsars das Volk gegen die Verschwornen so sehr aufreizte, daß sie Rom verlassen mußten. Nach mehrmonatiger Unentschlossenheit ging B. endlich in die ihm noch von Cäsar zugesprochene Provinz Makedonien, gewann dort die Truppen für sich und vereinigte sich zum Kriege gegen die Triumvirn in Kleinasien mit Cassius. Als dann Antonius und Oktavian gegen die unterdes vom Senat geächteten Republikaner im Osten auszogen, kehrten beide nach Makedonien zurück und sammelten ihr Heer, 80,000 Mann Fußvolk und 12,000 Reiter, in der Ebene von Philippi, wo auch die Triumvirn im Herbst 42 eintrafen. B. stand auf der linken Seite in einem abgesonderten Lager dem Oktavian, Cassius auf der rechten dem Antonius gegenüber, beide in günstigen Stellungen. Während B. den Oktavian besiegte, wurde Cassius von Antonius geschlagen und tötete sich selbst, da er alles für verloren hielt. Etwa 20 Tage später zwang Antonius den B., der die Truppen des Cassius an sich gezogen hatte, zu einer zweiten Schlacht und schlug ihn; B. floh und stürzte sich in das Schwert seines Vertrauten Strato. Während der Kaiserzeit wurde B. in den Rhetorenschulen über Gebühr als Republikaner gefeiert und mit Tugenden ausgestattet, die ihm die neueste Forschung zum Teil abgesprochen hat. B. schrieb philosophische Schriften, die aber nicht erhalten sind; dafür besitzen wir einen Teil seines Briefwechsels mit Cicero (2 Bücher), dessen Echtheit mit Unrecht angefochten worden ist, und außerdem einige in den Sammlungen von Ciceros Briefen. Von den zahlreichen Büsten, die seinen Namen tragen, ist echt nur die des Kapitolinischen Museums in Rom.

3) Decimus Junius B. (Albinus), Feldherr Cäsars, geb. um 84 v. Chr., gest. 43, diente unter Cäsar in Gallien, befehligte im Bürgerkrieg 49 die Belagerungsflotte Cäsars vor Massilia und siegte in zwei Seetreffen. Cäsar ernannte ihn zu seinem Magister equitum, 48 zum Statthalter von Gallien und setzte ihn für den Fall von Oktavians Tod zum Nacherben ein. Trotzdem trat B. der Verschwörung gegen Cäsar bei. In der Verwirrung nach dem Mord eilte B. in seine Provinz Gallien, fühlte sich aber, nachdem er Mutina tapfer verteidigt hatte, dem durch die Vereinigung mit Lepidus verstärkten Antonius nicht mehr gewachsen und wollte nach Makedonien zu M. Brutus und Cassius ziehen, ward aber von seinen Legionen verlassen und auf Befehl des Antonius in den Alpen getötet.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 516.
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