Frauenkrankheiten

[42] Frauenkrankheiten, das Gebiet derjenigen krankhaften Zustände des weiblichen Körpers, die in deren geschlechtlicher Eigentümlichkeit begründet sind. Eine besondere Gruppe bilden die Erkrankungen, die sich unmittelbar an das Wochenbett anschließen (Wochenbett- oder Puerperalkrankheiten). Man rechnet zu den F. alle Störungen im Bereich der dem Geschlechtsleben des Weibes dienenden Organe, insbes. der äußern Geschlechtsteile, der Scheide, der Gebärmutter, der Eierstöcke, der Eileiter sowie des ganzen damit in Zusammenhang stehenden Bandapparates und Beckenbindegewebes. Als die häufigsten seien hier genannt: Entzündungen der Scheide und der Gebärmutter, Lageveränderungen der Gebärmutter (Senkung, Vorfall, Knickung), Geschwülste der Gebärmutter (Krebs), Entzündungen und cystische Geschwülste der Eierstöcke (Eierstockswassersucht). Ferner gehören hierher die mangelhafte Entwickelung des Geschlechtsapparates und die Anomalien der Menstruation (Amenorrhöe, Dysmenorrhöe, Menorrhagie), während die Krankheiten der weiblichen Brust gewöhnlich dem Gebiete der Chirurgie zugezählt werden. Endlich können[42] krankhafte Veränderungen innerhalb der Genitalsphäre auch Funktionsstörungen in andern, entferntern Organen (Magen, Nervensystem) auf dem Wege des Reflexes auslösen und damit Krankheitsformen hervorrufen, die mit dem Bilde der Hysterie große Ähnlichkeit haben. Die Ursachen der F. sind außerordentlich mannigfach. Ost wird schon in der Jugend durch Fehler in der Erziehung der Grund dazu gelegt, so insbes. durch Vernachlässigung der Körperpflege, geistige Überreizung, erschlaffende und verweichlichende Lebensweise und vorzeitige Genüsse und Aufregungen. Ein großer Teil der F. entsteht ferner durch unzweckmäßiges Verhalten während der Menstruation, der Schwangerschaft und des Wochenbettes. Endlich wird ein hoher Prozentsatz der F. durch Ansteckung in der Ehe erworben. Es ist eine traurige Tatsache, die hier nicht verschwiegen werden darf, daß eine große Anzahl von Männern in die Ehe geht, ohne von einer früher erworbenen Gonorrhöe (Tripper) völlig geheilt zu sein. In solchen Fällen wird naturgemäß der Ansteckungsstoff vom Mann auf die Frau übertragen und letztere damit den Gefahren einer Krankheit ausgesetzt, die mit ihren Folgezuständen als eine der langwierigsten und verderblichsten bezeichnet werden muß, da sie die Kranken zu jeder Arbeit unfähig macht, ihnen den Genuß am Leben verkümmert und sie in vielen Fällen zu dauerndem Siechtum verurteilt. In Anbetracht dieses Umstandes sollte es die selbstverständliche Pflicht eines jeden Mannes sein, eine Ehe nur unter vollster Gewißheit seiner Gesundheit zu schließen und in zweifelhaftem Falle sich vorher ärztlichen Rat einzuholen. Die Behandlung der F. ist je nach der vorliegenden Erkrankung sehr verschieden und kann nur auf Grund genauer örtlicher Untersuchung vorgenommen werden. In allen Fällen ist es von größter Wichtigkeit, daß die Frauen sich möglichst frühzeitig an einen sachverständigen Arzt wenden und nicht aus falscher Schamhaftigkeit Untersuchung und Behandlung immer wieder hinausschieben, oft zu großem Schaden ihrer Gesundheit. Denn viele Leiden, die im Anfangsstadium leicht zu beseitigen sind, erfordern später zu ihrer Heilung großer Geduld von seiten der Kranken wie des Arztes, oder erweisen sich wohl gar bei weiterm Fortschreiten als jeder Behandlung unzugänglich. Die anzuwendenden Heilmittel sind allgemein diätetische, medikamentöse und chirurgische. Dank den Errungenschaften der Antiseptik und Asepsis haben auch auf dem Gebiete der F. die operativen Heilmethoden in letzter Zeit einen ungeahnten Aufschwung genommen und bedeutende Resultate gezeitigt. Eine ganze Reihe vorzüglicher Operationsmethoden ist ersonnen worden und findet Anwendung zur Beseitigung von F., deren Heilung früher unmöglich war. Erwähnt seien hier nur die Ovariotomie (s.d.) zwecks Entfernung von Eierstocksgeschwülsten und die verschiedenen Methoden der Amputation und Exstirpation der erkrankten Gebärmutter. Vgl. Scanzoni, Lehrbuch der Krankheiten der weiblichen Sexualorgane (5. Aufl., Wien 1875); Veit, Handbuch der Gynäkologie (Sammelwerk, Wiesbad. 1896–99, 3 Bde.); Hegar u. Kaltenbach, Die operative Gynäkologie (4. Aufl., Stuttg. 1897); Fehling, Lehrbuch der F. (2. Aufl., das. 1900); Fritsch, Die Krankheiten der Frauen (10. Aufl., Leipz. 1902); Hofmeier, Handbuch der F. (zugleich 13. Aufl. von Schröders Handbuch, das. 1901); Runge, Lehrbuch der Gynäkologie (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 42-43.
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