Gelübde

[526] Gelübde (lat. Votum) heißt im allgemeinen jedes mit einer gewissen Feierlichkeit gegebene Versprechen, im besondern aber ein der Gottheit geleistetes Versprechen, die Zusage einer Leistung des Menschen für den Fall der Gewährung einer Bitte. Voraussetzung bei Leistung eines solchen Gelübdes ist die einem anthropomorphistischen Gottesbegriff angehörige Annahme, daß sich die Gottheit durch Versprechungen günstig stimmen lasse. Von jeher sind die meisten G. unter der Bedingung geleistet worden, daß man aus einer Gefahr errettet werde. So gelobte im Altertum der Heerführer vor oder in der Schlacht für den Fall des Sieges Hekatomben, Tempel, Altäre, Feste oder Schauspiele oder einen Teil der Beute, während die Gaben, die der Privatmann nach Erreichung des im G. vorgesehenen Erfolgs spendete, oftmals in den Gerätschaften bestanden, deren man sich bis dahin zur Ausübung seines Geschäfts bedient hatte, und auf deren Gebrauch man fortan verzichtete. An solche Gaben pflegte man ein Täfelchen zu heften, auf dem Grund und Gegenstand des Gelübdes angegeben waren. Im Alten Testament begegnen uns G. von positiver (Versprechungen, Gott für geleistete Hilfe etwas darzubringen, z. B. ein Opfer) und von negativer Art (Ablobungen oder Versprechungen, zu Ehren Gottes sich eines erlaubten Genusses zu enthalten). Die Erfüllung galt für eine unverbrüchliche Religionspflicht, weshalb Sprichw. 20,25 vor Übereilung im Geloben gewarnt wird. Abhängige Personen, z. B. Weiber und Sklaven, durften nichts gegen den Willen ihrer Gebieter geloben. Auch durfte alles Gelobte, mit Ausnahme der Opfertiere, um einen angemessenen Preis losgekauft werden. Das G. fand auch im Christentum Eingang und wurde von der katholischen Kirche bald als eine verdienstliche Sache behandelt. Man unterschied zwischen dem persönlichen G. (votum personale), bei dem das Verdienst unmittelbar durch persönliche Handlungen vor Gott erworben werden sollte, und dem Realgelübde (votum reale), durch das man sich zu irgend einer Leistung an eine Kirche oder fromme Anstalt verpflichtete. Eine besondere Gattung des persönlichen Gelübdes ist das sogen. Votum solemne bei Aufnahme in einen Orden. Das persönliche G. bindet stets nur die Person des Gelobenden und kann nicht durch Stellvertreter erfüllt werden, außer bei Verpflichtungen zum Kreuzzug. Das Realgelübde verpflichtet dagegen den Gelobenden und seine Erben. Erlöschen oder verwandelt werden kann ein G. nur unter gewissen in der Natur der Sache liegenden, jedoch bestimmt vorgesehenen Fällen. Die evangelische Kirche verwarf das persönliche G. gänzlich und erklärte alle G., namentlich die Klostergelübde, für unverbindlich. Einfache (nicht feierliche G.) ließ sie zu, stellte aber ihre Erfüllung dem Gewissen eines jeden anheim.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 526.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: