Haselstrauch

[858] Haselstrauch (Haselstaude, Corylus Tourn., hierzu Tafel »Haselstrauch I u. II«), Gattung der Betulazeen, Sträucher, seltener Bäume mit großen, rundlichen oder breit-länglichen, gesägten Blättern, auf seitlichen Kurztrieben traubig angeordneten, frei überwinternden männlichen Blütenkätzchen, kleinen weiblichen Blüten, die in Laubknospen überwintern und im Frühjahr nur die rote Narbe aus diesen hervorstrecken, und einsamiger, hartschaliger Nuß. Man kennt sieben Arten in Mittel- und Südeuropa, im Orient, in Mittel- und Ostasien und im atlantischen Nordamerika. Der gemeine H. (C. Avellana L., Tafel I, Fig. 1–7), nach der Stadt Avellino in Unteritalien benannt, ein 2–4 m hoher Strauch mit drüsig rauhhaarigen Zweigen, kurzgestielten, rundlich herzförmigen, zugespitzten, schwach eckig gelappten, doppelt gesägten Blättern und glockenförmiger, zerrissen gezahnter Hülle von der Länge oder wenig länger als die Frucht. Der H. findet sich in ganz Europa, Nordafrika und Vorderasien bis an das Kaspische Meer, wo er die höchsten Spitzen der Gebirge erreicht. Im Algäu geht er so hoch wie die Buche, in den östlichen Alpen bleibt er unter dieser 160 m zurück. Seine hohen Ansprüche an die Bodenkraft machen ihn ungeeignet, die Lücken in den Beständen auf ärmerm Boden zu füllen, und wo er von Natur fortkommt, gedeihen weit nutzbarere Holzarten. Man vermehrt ihn durch Stockausschläge und Ableger. Die Veredelung geschieht durch Pfropfen in den Spalt oder durch Okulieren. Starke junge Ruten dienen zu Stöcken, Gitterwerk, Blumenstäben etc. Das Holz ist weich, sein, gut spaltbar, aber von kurzer[858] Dauer; man benutzt es zu Tischlerarbeiten, häufiger gespalten zu allerlei Flechtwerk. Die Kohle dient als Reißkohle zum Zeichnen, auch zur Bereitung von Schießpulver. Die Nüsse des gemeinen Haselstrauchs sind länglich, mit einer Spitze versehen; man kultiviert aber auch eine Form, bei der die gleichgestalteten Nüsse doppelt so groß sind. Diese Form wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderts in Franken, besonders beim Kloster Zell und bei Bamberg, kultiviert (Zeller, Bamberger oder spanische Nüsse), später durch die rundlichen Zeller Nüsse verdrängt. Eine zweite Form mit rundlichen Nüssen, die aber am obern Teil etwas eckig sind, ist bei uns aus Südeuropa, besonders von Lyon und Barcelona, eingeführt (italienischer, römischer, Lyoner H., Barcelonanuß, Tafel I, Fig. 9). Außerdem werden einige Varietäten in Gärten kultiviert, namentlich die Goldhasel (Corylus avellana var. aurea) mit bis zum Herbst goldgelben Blättern, die Eichenhasel (C. a. var. quercifolia) mit gelappten und die Schlitzhasel (C. a. var. laciniata) mit geschlitzten Blättern. Die Lambertshasel (C. tubulosa Willd., C. maxima Mill., Tafel II, Fig. 5) ist größer als die gemeine, oft baumartig; die Blätter haben einen oft sehr intensiven braunroten Schein, die Nuß gleicht am meisten der Zeller Nuß und ist von einer sehr langen, eingeschnürten, am obern Ende geschlitzten Fruchthülle umgeben (daher der aus »Langbart« verstümmelte Name). Diese in Südosteuropa heimische Art ist gegen unsern strengen Winter etwas empfindlich. Eine Varietät mit dunkelroten Blättern ist die Bluthasel, Blutnuß der Gärten. Pomologisch unterscheidet man nach Büttner 1) Zeller Nüsse (spanische Nüsse), a) plattrunde Zeller Nüsse (Plattnüsse): Barcelonanuß, Hallesche Riesennuß, dreieckige Zeller Nuß; b) längliche Zeller Nüsse (Langnüsse): gemeine und frühe lange Zeller Nuß. 2) Lambertsnüsse: weiße und rote Lambertsnuß, gekräuselte Filbertnuß. 3) Eigentliche Haselnüsse, die in deutschen Waldungen heimischen Haselnüsse. Von der pontischen oder römischen Hasel (C. pontica C. Koch, Tafel I, Fig. 8) im Pontinischen Gebirge, deren Fruchthülle die Nuß gleichfalls weit überragt, aber nicht eingeschnürt und an der einen Seite tief gespalten ist, kamen die Nüsse als Nuces ponticae nach Konstantinopel und Rom. Die türkische Baumhasel (C. Colurna L., Tafel II, Fig. 1–4), die im südöstlichen Europa und im Pontinischen Gebirge kultiviert wird und bis zum Himalaja geht, ist stets baumartig, bis 20 m hoch, besitzt herzförmige, spitze, doppelt bis gelappt gesägte Blätter; die Früchte stehen gedrängt und sind von einer vielfach geschlitzten, aber nur wenig längern Hülle umgeben. Sie bildet in Unterösterreich, Ungarn und im Banat ganze Bestände, aber ihre Nüsse (Türkische oder Dicknüsse) sind weniger schmackhaft als die der andern Arten. Bei uns trägt sie selten Früchte. Das Holz ist schön lichtbraun und zu Möbeln und Schnitzereien sehr gesucht. Von amerikanischen Arten hat die strauchförmige C. americana Mill. (Schnabelnuß, Tafel II, Fig. 6) eine Becherhülle, die doppelt so lang ist wie die Frucht, zweiklappig zusammengedrückt oder weit klaffend, die beiden Hälften öfters einseitig bis zur Spitze verwachsen. Bei C. rostrata Aiton (Schnabelhasel, gehörnte Haselnuß, Tafel II, Fig. 7) ist die Becherhülle besonders unterwärts dicht rostgelb steifhaarig und über die Frucht hinaus in eine lange, enge Röhre ausgezogen. – Die Haselnuß wird seit sehr alter Zeit kultiviert, ist aber durch die Kultur wenig verändert worden. Sie bildet im Süden und Osten Europas einen wichtigen Handelsartikel; im nördlichen Anatolien wurden 1903: 228,580 dz geerntet (Hauptmarkt Kerrasunt); die Stadt Avellino versendet, wie schon im Altertum, ganze Schiffsladungen; auch in Piemont und Spanien wird sie gebaut. Große Kulturen befinden sich in Böhmen auf den Schwarzenbergschen Gütern und in Calsot bei Reuding. Die Nuß dient als Dessertobst und in Konditoreien als Surrogat der Mandel, sie gibt auch fettes Öl. Viele Varietäten der angeführten und andrer Arten werden als Ziersträucher kultiviert. Der H. gehört zu den im heidnischen Kultus der Germanen verwendeten Hölzern. Er war dem Himmelsgott, besonders dem Gewittergott geweiht, und daraus lassen sich die Verwendungen des Haselholzes zur Wahrung des Friedens, zur Abwehr schädigender Wesen, zur Segnung und Heilung, zum Auffinden von Wasser (Wünschelrute) und verborgenen Schätzen, auch im Zauberwesen ableiten. Vgl. Palandt, Der H. und seine Kultur (Berl. 1881); Rosenthal, 16 vorzügliche und interessante Haselsträuche (Wien 1883); Göschke, Die Haselnuß, ihre Arten und ihre Kultur (Berl. 1887) und Empfehlenswerte Haselnüsse (das. 1891); Groß, Die Haselnuß, ihre Kultur etc. (das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 858-859.
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