Hēros [2]

[230] Hēros (griech., »Held«), bei Homer Ehrentitel, namentlich für Kriegshelden, bei Hesiod Bezeichnung für die den Göttern entstammten, daher selbst Halbgötter genannten Helden der Vorzeit, die z. T. wie andre Menschen gestorben sind, teils unter Herrschaft des Kronos auf den Seligen Inseln ein beglücktes Leben führen, später einerseits Bezeichnung für die Helden der epischen Sage, des sogen. heroischen Zeitalters, anderseits für Menschen, die, wenn auch gestorben, doch durch den Tod eines höhern Wesens teilhaftig geworden sind, die Macht besitzen, den Menschen Gutes wie Übles zu tun, und einen Kult genießen. Es gab keine hellenische Stadt oder Landschaft, die nicht neben den obern Göttern ihre Heroen verehrte. Teils waren es Gestalten der alten heroischen Sage, die sich z. T. als ursprüngliche Gottheiten oder als Personifikationen von Beinamen solcher erwiesen. Meist noch der Sage angehörig und bloße Gebilde der Phantasie sind ferner diejenigen Heroen, die als Stifter von Städten (z. B. Byzas, Gründer von Byzanz), von Phylen und Demen (Gauen und Bezirken), als Ahnherren adliger und priesterlicher Geschlechter, Begründer einzelner Künste und Gewerbe (wie Dädalos), von Innungen, Genossenschaften etc. genannt werden. Eine weitere Gruppe bilden historische Personen, denen nach ihrem Tode wegen besonderer Verdienste heroische Ehren zuteil wurden, im eigentlichen Griechenland ein häufigerer Fall erst in späterer Zeit, wo man sogar Wettkämpfer (Athleten) heroisierte. Zuletzt nannte man H. einen jeden Toten. Ganz im Widerspruch zu dem Wesen des Heroenkults als eines Totenkults stehen Heroenehren bei Lebzeiten, wie sie zuerst dem Spartaner Lysander von kleinasiatischen Städten, später in der Zeit des Verfalles namentlich den orientalischen Königen, den Seleukiden und Ptolemäern, erwiesen wurden. – Der das Grab des H., oft über diesem ein Heiligtum (Heroon), umschließende Bezirk hatte gewöhnlich den Eingang im Westen, der Gegend der Unterwelt. Opfer und Spenden brachte man dem H. abends oder nachts dar; in eine Grube westlich neben dem niedrigen Opferherde goß man die wie die Totenopfer aus Honig, Wein, Wasser, Öl, Milch bestehenden Spenden oder ließ das Blut der Opfertiere fließen, deren Fleisch verbrannt wurde. Überall gab es Heroenfeste, die, wenn sie den Landesheroen galten, von Staats wegen oft mit großer Pracht begangen wurden. Als Attribut der Heroen erscheinen die Schlangen und das Pferd. – Sehr zahlreich sind Votivreliefs auf uns gekommen, besonders solche, in denen der H. thronend oder gelagert Verehrung empfängt. – Im modernen Sinne heißt H. eine auf einem Gebiet über das menschliche Maß ragende Person. Vgl. Ukert, Über Dämonen, Heroen und Genien (Leipz. 1850); Ohlert, Beiträge zur Heroologie der Griechen (Lauban 1875); Waßner, De heroum apud Graecos cultu (Kiel 1883); Deneken in Roschers »Lexikon der griechischen und römischen Mythologie«, Bd. 1, Sp. 2441 ff.; Rohde, Psyche (3. Aufl., Tübing. 1903); Chaignet, Les Héros et les héroines d'Homer (Par. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 230.
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