Hufbeschlag

[599] Hufbeschlag, die Gesamtheit verschiedener technischer Verrichtungen zum Schutze und zur Gesunderhaltung des Hufes. Der H. bezweckt, den Huf in seinem natürlichen, gesunden Zustande zu erhalten, ihn vor zu schneller und zu starker Abnutzung und dadurch die in der Hornkapsel eingeschlossenen empfindlichen Teile zu schützen; fehlerhafte oder kranke Hufe zu heilen oder zu bessern, fehlerhafte Schenkel- und Zehenstellungen sowie den dadurch bedingten Gang nach Möglichkeit zu verbessern, endlich die Pferde vor dem Ausgleiten auf gefrornen oder sehr glatten Fahrstraßen zu schützen. – Zum vollen Verständnis einer erfolgreichen Ausführung des Hufbeschlages gehört die richtige Anfertigung der Hufeisen, ein verständnisvolles Richten und Aufpassen des Hufeisens auf den Huf, eine naturgemäße Beschneidung des Hufes unter Berücksichtigung der Stellung der Gliedmaßen und Richtung des Fußes und die vorteilhafte Befestigung des Hufeisens vermittelst der Nägel auf den Huf, ferner die Kenntnis über den Bau und über die Verrichtungen des Pferdefußes, über die Stellungen und Verrichtungen der Zehe und der Schenkel im besondern sowie des Pferdekörpers im allgemeinen. Auch ist zu berücksichtigen, daß der Fuß vielfachen Nachteilen ausgesetzt ist. Diese werden bedingt durch die Verschiedenheit der Arbeitsleistungen, durch die Beschaffenheit des Bodens und der Straßen, durch die Witterung und die nachlässige Hufpflege. Hierdurch werden Störungen in der Form, dem Wachstum und der Elastizität des Hufes hervorgerufen. Schuhe, Geflechte (Sandalen), als Schutzvorrichtung gegen die Hufabnutzung, waren schon zur Zeit Ramses' II. und III. (14. Jahrh. v. Chr.) bekannt. Die Erfindung, bez. allgemeine Einführung des Hufbeschlages mit Nägeln liegt zwischen dem 4. u. 6. Jahrh. n. Chr. Die ersten Eisen waren klein, schmal und dünn mit sechs länglichrunden Nagellöchern versehen, die durch Herausdrücken des Eisens nach außen gebildet waren, so daß es eine wellenförmige Oberfläche besaß. Eisen, die man in der Schweiz und in der Franche-Comté neben den Gebeinen burgundischer Krieger fand und die wir der Zeit des frühen Mittelalters zuzurechnen haben, sind von mittlerer Größe, grober Form und bedecken einen großen Teil der untern Huffläche. Eine Abart dieser Eisen, die spanischen Ursprungs sein sollen und wahrscheinlich in die Zeit der Kreuzzüge (1096–1201) gehören, sind die sogen. Eisen mit Klinkstollen. Im spätern Mittelalter bis zum 18. Jahrh. finden wir das alte deutsche Eisen. Die erste epochemachende Abhandlung über den H. erschien im 16. Jahrh. von Cesare Fiaschi, einem Edelmann aus Ferrara. Der H. des 17. Jahrh. hat seine Hauptvertreter in Carlo Ruini und Soleysel, der 1675 sein Werk »Le parfait maréchal« herausgab. Von großer Bedeutung für den H. waren 1754 La Fosse der ältere und 1766 La Fosse der jüngere. Der sogen. »Stallmeisterperiode« im 18. Jahrh. entstammt eine große Anzahl von Büchern über Pferdekunde und H. Mit Hebung der Pferdezucht in England bekam auch der H. eine besondere Bedeutung, und Graf Einsiedel (1860) hat sich um die Hebung des Hufbeschlags in Deutschland sehr verdient gemacht. Erst in den letzten 20 Jahren wurde der H. unter Berücksichtigung des anatomischen Baues des Hufes, der Schenkelstellung etc. sehr vervollkommt. S. Hufbeschlaglehranstalten. Vgl. Leisering und Hartmann, Der Fuß des Pferdes etc. (10. Aufl. von Lungwitz, Dresd. 1903): Pillwax, Lehrbuch des Huf- und Klauenbeschlags (5. Aufl. von Gutenaecker, Wien 1892); Lungwitz, Der Lehrmeister im H. (10. Aufl., Leipz. 1903); Gutenaecker, Die Lehre vom H. (7. Aufl., Stuttg. 1902); Zürn, Die Lehre vom H. (8. Aufl., Weim. 1892); Walther, Katechismus des Hufbeschlags (3. Aufl., Leipz. 1889) und Der Hufschmied (6. Aufl., Bautzen 1895); Graf Einsiedel, Gedankenzettel zu Ausübung des englischen Hufbeschlags (10. Aufl., das. 1890); Schmidt, Der rationelle H. (4. Aufl., Bresl. 1904); Eberlein, Leitfaden des Hufbeschlags (Berl. 1903); Daul, Illustrierte Geschichte des Hufeisens (Wien 1893). Zeitschriften: »Der Hufschmied« (hrsg. von Lungwitz, Dresd., seit 1883); »Der Beschlagschmied« (hrsg. von Toepper, Berl., seit 1899); »Der Schmiedemeister« (Leipz., seit 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 599.
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