Lachmann

[16] Lachmann, Karl, berühmter Philolog, geb. 4. März 1793 in Braunschweig, gest. 13. März 1851 in Berlin, wurde auf dem Catharineum seiner Vaterstadt vorgebildet, widmete sich seit 1809 in Leipzig klassischen, dann in Göttingen unter Benecke auch germanistischen Studien, habilitierte sich 1815 in Göttingen, trat aber bald darauf als freiwilliger Jäger ein, wurde 1816 Kollaborator am Friedrichswerderschen Gymnasium in Berlin und Privatdozent an der dortigen Universität, übernahm noch im Sommer d. J. die Stelle eines Oberlehrers am Friedrichs-Gymnasium in Königsberg und 1818 eine außerordentliche Professur an der Universität daselbst, wurde 1825 außerordentlicher, 1827 ordentlicher Professor in Berlin und 1830 Mitglied der Akademie der Wissenschaften. L. ist der Begründer der modernen philologischen Textkritik, indem er sie von subjektivem Belieben auf feste Normen zurückführte, nicht bloß auf dem Gebiete der klassischen, sondern auch der altdeutschen Literatur. In ersterer Beziehung sind vor allem hervorzuheben seine »Betrachtungen über Homers Ilias« (Abhandlungen der Berliner Akademie 1837, 1841 u. 1843; gesammelt mit Zusätzen von Haupt, Berl. 1847; 3. Aufl. 1874), in denen die Ilias in einzelne Lieder zerlegt wird, und seine bahnbrechende Ausgabe des Lucretius (das. 1850; 1. Bd.: Text, 4. Aufl. 1871; 2. Bd.: Kommentar, 4. Aufl. 1882), sodann die Ausgaben des Properz (Leipz. 1816; neue Ausg., Berl. 1829), Tibull (das. 1829), Catull (das. 1829, 3. Aufl. 1874), des Neuen Testaments (kleinere Ausg., das. 1831; 3. Aufl. 1846; größere mit Buttmann, das. 1842–50, 2 Bde.), des Genesios (Bonn 1834), Terentianus Maurus (Berl. 1836), Gajus (Bonn 1841 u. Berl. 1842), Babrios (das. 1845), Avianus (das. 1845), der römischen Feldmesser (mit Blume, Th. Mommsen, Rudorff, das. 1848–52, 2 Bde.), des Lucilius (aus seinem Nachlaß hrsg. von Vahlen, das. 1876) und die Abhandlungen: »Observationes criticae« (Götting. 1815), »De choricis systematis tragicorum graecorum« (Berl. 1819), »De mensura tragoediarum« (das. 1822) u.a.; auch gab er die »Philologischen Abhandlungen« seines Freundes Klenze heraus (das. 1839). Von seinen germanistischen Schriften nennen wir an erster Stelle seine bahnbrechenden Arbeiten über das Nibelungenlied, deren Ergebnisse freilich durch die neuere Forschung erhebliche Einschränkungen erfahren haben (s. Nibelungenlied): die Abhandlung »Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts;Der Nibelunge Not'« (Götting. 1816) sowie die Ausgabe von »Der Nibelunge Not und die Klage« (Berl. 1826, 5. Ausg. 1878; 11. Abdruck des Textes, 1892; Anmerkungen und Lesarten dazu, 1837) neben der auch die zum Jubiläum der Erfindung der Buchdruckerkunst veranstaltete Prachtausgabe: »Zwanzig alte Lieder von den Nibelungen« (das. 1840), die nur die von L. für echt erklärten Lieder enthält, zu erwähnen ist. Außerdem gab er heraus: »Auswahl aus den hochdeutschen Dichtern des 13. Jahrhunderts« (Berl. 1820), »Specimina linguae francicae« (das. 1825), Walther von der Vogelweide (das. 1827; 6. Aufl. von Müllenhoff, 1891), Hartmanns »Iwein« (mit Benecke, das. 1827; 4. Aufl. 1877), Wolfram von Eschenbach (das. 1833, 5. Aufl. 1891), Hartmanns »Gregor« (das. 1838); Ulrich von Lichtenstein (mit Th. v. Karajan, das. 1841) und veröffentlichte Abhandlungen: »Über die Leiche der deutschen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts« (1829), »Über althochdeutsche Betonung und Verskunst« (1831), wodurch er der eigentliche Begründer der deutschen Metrik wurde; »Über das Hildebrandslied« (1833), »Über Singen und Sagen« (1833), »Über den Eingang des Parzival« (1835) u.a. Auch verdanken wir ihm eine Übersetzung von Shakespeares Sonetten (Berl. 1820) und »Macbeth« (das. 1829) sowie eine kritische Ausgabe der »Sämtlichen Schriften« Lessings (s. d.). Ein. von L. unvollendet hinterlassene Ausgabe älterer Minnesinger brachte Moritz Haupt zum Abschluß (»Des Minnesangs Frühling«, Leipz. 1857; 4. Aufl. von Fr. Vogt, 1888). Seine »Kleinern Schriften« wurden von Müllenhoff und Vahlen (Berl. 1876, 2 Bde.) herausgegeben. Seine Briefe an Moritz Haupt hat Vahlen veröffentlicht (Berl. 1891), andre Briefe K. Weinhold in den »Mitteilungen über K. L.« (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Berl. 1894). Vgl. M. Hertz, Karl L. (Berl. 1851); J. Grimm, Rede auf L. (das. 1851, abgedruckt in den »Kleinen Schriften«, Bd. 1); Fr. Leo, Rede zur Säkularfeier K. Lachmanns (Götting. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 16.
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