Legion

[325] Legion (lat. legio), in Rom ursprünglich Benennung der Gesamtheit des Heeres, später der Hauptabteilungen. Unter Romulus betrug das Heer angeblich 300 Reiter (celeres) als Kern und 3000 Fußsoldaten (milites) unter je 3 Tribuni celerum und militum, je zum Drittel von den patrizischen Tribus gestellt. Die Verfassung des Servius Tullius (s. d.) machte das Fußvolk zum Kern des Heeres und zog sämtliche Bürger der fünf Zensusklassen zum Dienst auf eigne Kosten heran, in zwei Aufgeboten, der iuniores vom 17.–46. Jahr zum Felddienste, der seniores bis zum 60. Jahr zur Besatzung. Die Ausstellung bildete eine Phalanx von sechs (oder acht) Gliedern Tiefe, je zwei Glieder gebildet von einer Vermögensklasse nach der abnehmenden Vollständigkeit der Schutzwaffen (bei der ersten Panzer, Helm, Beinschienen, eherner Rundschild); gemeinsame Angriffswaffen waren die lange Stoßlanze (hasta) und das kurze Schwert (gladius). Die außer der Phalanx Stehenden bildeten ein leichtes Korps (rorarii). Dazu kamen 1800 Reiter, von den reichsten Bürgern gestellt. Eine durchgreifende Änderung erfolgte um 400 v. Chr., wahrscheinlich durch Camillus. Die Normalstärke der L. betrug außer 300 Reitern (equites) 4200 Mann (pedites); diese zerfielen in 1200 hastati, den jüngsten Jahrgängen angehörig, 1200 principes, im vollen Mannesalter, 600 triarii, alterprobte Soldaten, und 1200 velites (Leichtbewaffnete) aus den untersten Zensusklassen, die drei ersten Abteilungen in 10 Feldzeichen führende Manipel, jeder Manipel in zwei von je einem centurio geführte Zenturien gegliedert, denen je 20 velites zugeteilt[325] waren. Bei sonst gleicher Ausrüstung (eherner Helm, cassis, lederner Harnisch, lorica, Beinschienen, eisenbeschlagener Schild, scutum, Schwert) führten hastati und principes (aus einer frühern Zeit beibehaltene, nicht mehr zutreffende Benennungen) einen Wurfspieß (pilum), die triarii (auch pilani genannt), die hasta. In der Schlacht war die L. in Manipeln mit ihrer Front entsprechenden Intervallen in drei von den hastati, principes und triarii in dieser Folge gebildeten Treffen schachbrettförmig aufgestellt. Die Reiterei zerfiel in 10 turmae, befehligt von je drei decuriones. Jede L. führten sechs im Kommando wechselnde Militärtribunen (s. d.). Von den durch diese ernannten 60 Unteroffizieren, den Centurionen, mit einem Stock aus einer Weinrebe (vitis) als Abzeichen, war der zweite in jedem Manipel dem ersten, dem Führer des Manipels, untergeordnet. Beim Aufrücken durchliefen sie erst die sämtlichen zweiten, dann die ersten Stellen von den hastati bis zu den triarii; der 60. hieß decimus hastatus posterior, der erste primus pilus (s. d.). Regelmäßig ausgehoben wurden jährlich zwei konsularische Heere zu zwei Legionen, zu denen noch das Kontingent der Bundesgenossen (socii), ca. 20,000 Fußsoldaten und 3600 Reiter, kamen. Das Kommando eines Heeres führte stets ein Konsul oder Prätor, in Ausnahmefällen ein Diktator. Waren zwei Konsuln beim Heer, so wechselte täglich das Kommando. Als Amtsgehilfen waren dem Oberstkommandierenden Legaten (s. d.) beigegeben, die unter seiner Verantwortung auch den Befehl über einzelne Heeresteile übernahmen. Neue wichtige Veränderungen traten seit Marius (um 107 v. Chr.) ein. Die Reiterei und die velites fielen weg, und sämtliche Legionarier erhielten die schwere Rüstung und das Pilum; die Bezeichnungen für die frühern drei Gruppen der Schwerbewaffneten erhielten sich nur in den Titeln der Zenturionen. Infolge der Ersetzung der Aushebung (auf Grundlage des Zensus mit der Verpflichtung zu 16 Feldzügen) durch Werbung (zu 20jährigem Solddienst) entzogen sich die Vermögendern immer mehr dem Dienst, und das Heer bildeten größtenteils die untersten Schichten der bürgerlichen Bevölkerung Italiens, denen der Dienst als Berufssoldaten Erwerbsquelle war. Zu der bisherigen Einteilung in Manipeln und Zenturien trat die in zehn je drei Manipel vereinigende Kohorte hinzu, deren erste den Kern enthielt; ihre gewöhnliche Gefechtstellung war in drei Treffen zu 4 und je 3 Kohorten. Die L. erhielt seit Marius auch ihr eignes Feldzeichen, den silbernen oder goldenen Adler (aquila; Abbildung s. Signum). Die Normalstärke der L. setzt man auf 5–6000 Mann; später erscheint sie beträchtlich vermindert. Cäsars Legionen enthielten höchstens 3000 bis 3600 Mann. Nach Erteilung des Bürgerrechts an alle Italiker (89 v. Chr.) traten an Stelle der früher den Legionen angegliederten Kontigente der socii (s. oben) die aus Fußvolk und Reiterei bestehende auxilia (Hilfstruppen), die aus den Provinzen ausgehoben oder von Bundesgenossen gestellt oder angeworben wurden, wie namentlich Schleuderer und Bogenschützen. In dem Heer der Kaiserzeit, das ein wirklich stehendes, dem Kaiser durch Eid (sacramentum) verpflichtetes war, bildeten die wieder mit einer Reiterabteilung von 120 Mann versehenen und außer Nummern auch Beinamen führenden Legionen nebst den auxilia die Besatzung der kaiserlichen Provinzen unter dem Befehl je eines legatus legionis, seit der Mitte des 3. Jahrh. eines praefectus legionis. Ihre Zahl betrug 23 n. Chr. 25, seit Vespasian 30, seit Septimius Severus 33, nach Diokletian etwa 175 bei erheblich geringerer Mannschaftsziffer. Ursprünglich sollten sie sich nur aus römischen Bürgern Italiens rekrutieren; allmählich aber traten an Stelle von Italikern die Bürgerrecht besitzenden Provinzialen. Seit Antoninus Pius griff die Aufnahme von Nichtbürgern, denen erst das Bürgerrecht dadurch zuteil wurde, immer wieder um sich; schließlich bestanden die Legionen fast ganz aus Barbaren. Auch im übrigen traten im Verlauf der Kaiserzeit zahlreiche Änderungen ein, namentlich in der Taktik, indem man unter Hadrian (117–138 n. Chr.) zur Phalanx zurückkehrte. Im 4. Jahrh. wurde die Masse und der Kern des Heeres von den Grenzen, dem bisherigen Standort der Legionen, zurückgezogen und unter dem Namen comitatenses an verschiedenen Hauptorten im Innern des Reiches konzentriert, um von da im Kriegsfall an die Grenzen, die nur von angesiedelten Soldaten, limitanei und riparienses, bewacht wurden, geworfen zu werden. Vgl. Pfitzner, Geschichte der römischen Kaiserlegionen von Augustus bis Hadrianus (Leipz. 1881).

In neuerer Zeit waren die frühern französischen Nationalgarden in Legionen und Kohorten und jetzt noch ist die französische Gendarmerie in Legionen geteilt. Nach Ausbruch des ersten Koalitionskrieges dekretierte die Pariser Gesetzgebende Nationalversammlung 1. Aug. 1792 die Bildung einer Légion franche étrangère, und ein an die desertionslustigen Soldaten der gegen Frankreich verbündeten Fürsten gerichteter Ausruf hatte in der Tat 4. Sept. d. J. die Ausstellung einer Légion germanique zur Folge (vgl. Chuquet, La Légion germanique, 1792–1793; Par. 1904). Ebenso wurden eine belgische, batavische, italische, nordfränkische, maltesische L. gebildet. 1815–20 war die neue französische Armee in Legionen formiert, die man nach den Departements benannte. Unter Napoleon I. hießen Legionen Truppenkorps von unbestimmter Anzahl und verschiedener Gattung, die nur für die Dauer eines Feldzugs aus Ausländern errichtet wurden, ebenso die im Befreiungskrieg in England und Rußland, bei der Eroberung von Algerien durch Frankreich, während des Krimkriegs durch England etc. aus Ausländern gebildeten Truppen (s. Fremdenlegion).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 325-326.
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