Narrenfest

[426] Narrenfest (Festum stultorum s. fatuorum s. innocentium, Dezemberfreiheit), im Mittelalter ein Volksfest um Weihnachten, besonders 28. Dez., 1. und 6. Jan., wahrscheinlich ein Rest der heidnischen Saturnalien (Calendae Januarii), bei denen die Diener von ihren Herren bedient wurden und die »verkehrte Welt« an der Tagesordnung war. Es ward in der römischen wie in der griechischen Kirche, namentlich in Frankreich und Belgien, unter den ausgelassensten Aufzügen, üppigen Tänzen und Absingung unanständiger Lieder gefeiert und gipfelte in der Parodierung der gottesdienstlichen Handlungen in den Kirchen unter Vorsitz eines Narrenbischofs oder Narrenpapstes (daher auch Fête des Sous-Diacres, vgl. Eselsfest). Man hatte besondere Zeremonienbücher oder Ritualien zu diesen Narrenfesten, von denen einzelne erhalten sind. Seit 633 wurden sie von Päpsten, Bischöfen und Konzilen wiederholt verboten und verdammt; gleichwohl erhielten sie sich noch lange Zeit, und die theologische Fakultät in Paris nahm sie sogar in Schutz. Erst 1544 erließ auch sie ein Verbot der Narrenfeste, die in der Gesellschaft der Narrenmutter (confrérie de la Mère folle) von Dijon fortlebten, worauf ein Parlamentsbeschluß zu Dijon 1552 dem Unfug vollends ein Ende machte. Ein Nachklang war das am 12. März (dem Tag des heil. Gregor, des Patrons der Schule) an vielen Orten in Deutschland gefeierte Gregoriusfest, das angeblich von Papst Gregor IV. 828 gestiftet sein sollte und darin bestand, daß ein als Bischof gewählter und[426] ausstaffierter Schulknabe, mit zwei Diakonen von der Stadtgeistlichkeit begleitet, im feierlichen Zug unterm Baldachin nach der Kirche geführt wurde, wo er nach dem Gesange des sogen. Gregoriusliedes eine Predigt hielt. Es wurde in Römhild 1734, in Meiningen erst 1799. abgeschafft und sogar noch 1835 als Umzug der Jugend gefeiert. Vgl. Tilliot, Mémoires pour servir á l'histoire de la Fête des fous (Lausanne 1741); Mücke, Ursprung des Gregoriusfestes (Leipz. 1782); Reinsberg-Düringsfeld, Das festliche Jahr (das. 1863); L. Schneegans in der »Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte« (1858).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 426-427.
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