Pantheïsmus

[366] Pantheïsmus (griech., von pan, das All, und theos, Gott) heißt im weitern Sinn im Gegensatz zu der dualistischen (theologischen) Weltansicht, die Gott und Weltall (Schöpfer und Schöpfung) als verschieden betrachtet, die monistische Weltansicht, die beide als eins ansieht. Im engern Sinne wird nur derjenige Monismus als P. bezeichnet, der Gott mit dem All, dagegen als Kosmotheismus derjenige, der das All mit Gott identifiziert. Nach ersterer Ansicht geht also Gott im Weltall auf, nach letzterer ist dies nur eine Erscheinungsform des göttlichen Seins, neben der es vielleicht noch andre gibt. Der P. ist dem Theismus und Deismus, die einen vom Weltall unterschiedenen Gott annehmen, aber auch dem Atheismus, sofern dieser eine »Welt ohne Gott«, und dem Akosmismus, der einen »Gott ohne Welt« lehrt, entgegengesetzt und nimmt eine Mittelstellung zwischen diesen Extremen ein. Mit allen Systemen spekulativer Weltanschauung stimmt der P. darin überein, daß er die gegebene Vielheit der Einzeldinge nicht als das Letzte gelten läßt; er bleibt aber auch nicht (wie der Hylotheismus) bei dem Begriffe des Stoffes als des Urgrundes aller Dinge stehen, sondern führt alles einzelne stoffliche und geistige Sein auf einen von den verschiedenen pantheistischen Denkern verschieden, meist aber durch geistige Eigenschaften definierten Urgrund zurück, zu dem die Einzeldinge sich verhalten wie die Wellen zum Meere. Der P. leugnet folgerichtigerweise die Persönlichkeit Gottes (des Weltgrundes) und bestreitet ebenso entschieden die Selbständigkeit der Individuen, in denen er nur vorübergehende Erscheinungsformen der in der Welt sich entfaltenden göttlichen Wirksamkeit sieht. Der gegen ihn von seiten der Theologie häufig gerichtete Vorwurf, daß er atheistisch sei, ist daher nur in dem Sinne gerechtfertigt, daß er in der Tat keinen von der Welt unterschiedenen, keineswegs aber in dem Sinne, daß er überhaupt keinen Gott anerkennt. Richtiger, als ihn der »Gottlosigkeit«, wäre es, ihn der »Gotttrunkenheit« zu beschuldigen, weil er im All allenthalben nur Gott gewahrt. Vanini, als »Atheist« zum Feuertod verurteilt (1619), hob an der Tür seines Kerkers einen Strohhalm auf und rief laut, daß dieser allein hinreichen würde, ihn von der Existenz Gottes in der Natur zu überzeugen. In der Geschichte der Philosophie ist der P. im Altertum in der indischen Wedanta philosophie, welche die Welt als Emanation aus Brahma, und bei den Griechen in der eleatischen Schule, die durch Xenophanes (s. d.) das »Eine, das Alles ist« (hen to pan), als Gott bezeichnete, hierauf in der neuplatonischen Schule, welche die orientalische Emanationslehre mit der Platonischen Ideenlehre verschmolz, aufgetreten. Während des Mittelalters zeigte sich der P. im Morgenland bei den islamitischen Arabern und Persern als Mystik der Sufis sowie bei den jüdisch christlichen Gnostikern, im Abendland bei Scotus Erigena, den ketzerischen Sekten des Amalrich von Bena und David von Dinant und in der mystischen Theosophie des Meisters Eckart. In der philosophischen Übergangsepoche findet der P. in Bruno und Vanini phantasievolle, in der italienischen und[366] deutschen Naturphilosophie des Bernardinus Telesius und Theophrastus Paracelsus phantastische Repräsentanten. In der neuern Philosophie stellt das System Spinozas dessen reinsten und konsequentesten Ausdruck dar, von dem alle nachherigen Formen desselben in der Schule des nachkantischen Idealismus (Schelling, Hegel, Schopenhauer, Hartmann) und bei andern Denkern (Goethe) abhängen. Vgl. Weißenborn, Vorlesungen über P. und Theismus (Marb. 1859); Deisenberg, Theismus und P., geschichtsphilosophische Untersuchungen (Wien 1880); A. Drews, Die deutsche Spekulation seit Kant mit besonderer Rücksicht auf das Wesen des Absoluten und die Persönlichkeit Gottes (Berl. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 366-367.
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