Wildfangsrecht

[629] Wildfangsrecht (jus wildfangiatus), in Deutschland das Recht des Königs, den eingewanderten Fremden, der sich als rechtlos unter den besondern königlichen Schutz begeben mußte, wie einen Leibeignen zu behandeln, entsprechend dem französischen droit d'aubaine (jus albinagii), mit dem das W. gleichen Ursprung aus dem altgermanischen Fremdenrecht (s. d.) hat. Dieser Rechtsgebrauch blieb seinem Grundgedanken nach bestehen, so lange es eine Leibeigenschaft gab; aber im Laufe der Zeit verlor sich vielfach seine praktische Ausübung. Am längsten hat sich das W. in Westfalen erhalten, wo die Wildfänge »Biesterfreie« und ähnlich genannt wurden, und in Rheinfranken. Hier im besondern hat, wohl gegen Ende des 14. Jahrh., der Kurfürst von der Pfalz als Reichsvikar durch königliches Privileg die Ausübung des Wildfangsrechts übertragen bekommen und die bezüglichen Ansprüche weit über die Grenzen seines Landes hinaus bei den Nachbarstaaten, wenn auch unter deren lebhaftem Widerspruch, geltend gemacht (vgl. Jul. Wolffs gleichnamigen Roman, Berl. 1907). Daraus ergaben sich häufige Streitigkeiten, die bei der nachdrücklichen Erneuerung des ertragreichen Rechtes durch Kurfürst Karl Ludwig (s. Karl 45) zu einem förmlichen Kriege führten, der als der Pfälzische Wildfangstreit (1664–67) bekannt ist. Erst der Machtspruch Frankreichs und Schwedens vermochte den Kampf zugunsten von Kurpfalz zu entscheiden. Vgl. Brunner, Der pfälzische Wildfangstreit (Innsbruck 1896); Kolde, Über die Wildfänge und das Wildfangsrecht der Pfalzgrafen bei Rhein bis 1667 (Dissert., Rostock 1898). – Das Wort Kolbekerle, früher irrig mit Wildfänge identifiziert, bedeutet lediglich Kriegsknechte, die nur mit dem Streitkolben, nicht mit Lanze und Schwert. bewaffnet sind.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 629.
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