Zertifikāt

[904] Zertifikāt (lat.), im allgemeinen jeder Schein, jede als Beweis dienende schriftliche Versicherung. Bei Wertpapieren werden nicht selten Zertifikate ausgegeben, welche die Originalobligation für den Umlauf ersetzen sollen. Mehrere Staaten, die das Rentensystem befolgen, wie England, Frankreich, Rußland, Spanien und Italien, geben nicht immer eigentliche Obligationen über die von ihnen abgeschlossenen Anleihen aus, sondern die Namen der Gläubiger und ihre Forderungen werden in das große Staatsschuldbuch eingetragen, und hierüber wird eine Bescheinigung (Certificat d'inscription in Frankreich) ausgehändigt. Die Forderung ist nun ganz oder zum Teil übertragbar, und es werden bei solchen Übertragungen unter Zu- und Abschreibung im Schuldbuch neue Zertifikate ausgestellt. Damit aber diesen Inskriptionen auch im Ausland Umsatz verschafft werde, wird ein gewisser Teil der Staatsschuld auf den Namen eines Bankhauses übertragen und dieses ermächtigt, auf den Inhaber gestellte Zertifikate, d. h. Obligationen für den Belauf der ihm zugeschriebenen Summe in der betreffenden Landeswährung mit Zinscoupons, auszugeben, die im Auslande die Originaleffekten vertreten und an den Börsen verkauft werden. In Rußland kann der Gläubiger das Z. über die ganze Summe beim Schatzamt hinterlegen. Er erhält dafür Inhaber-Teilscheine, die ebenfalls Z. heißen und begeben werden können. In England werden seit 1863 für Konsols auch Stock certificates ausgegeben (vgl. Staatsschulden). – Im Aktienwesen bedeutet K. eine Interimsaktie (vgl. Aktie, S. 237). Auch nennt man so den Schein (Anteilschein), gegen den bei einer neuen Emission von Aktien solche ausgehändigt werden. Oft wird den Inhabern von Stammaktien ein Vorrecht auf Erlangung neuer Aktien eingeräumt. Sie erhalten bei Vorzeigung ihrer Aktien ein auf den Inhaber lautendes Z. (dann auch Promesse genannt), das die Zahl der Aktien angibt, zu deren Empfang der Inhaber berechtigt ist. Um zu vermeiden, daß unter wiederholter Vorlegung derselben Stammaktien zu viel Zertifikate ausgefertigt werden, werden die Stammaktien bei der Vorlegung abgestempelt. – Beim Zollwesen sind Ursprungszertifikate amtliche Bescheinigungen, durch welche die Herkunft einer Ware, bez. das Land ihrer Erzeugung nachgewiesen wird. In denselben sind wohl auch Namen und Wohnort der Produzenten, Menge und Stückzahl der Ware etc. sowie die Art angegeben, wie die Feststellung der Identität der Ware gesichert ist. Diese Zertifikate haben den Zweck, Waren, die aus Ländern kommen, mit denen eine Übereinkunft über Verkehrserleichterungen oder Zollbegünstigungen abgeschlossen wurde, diese Vorteile zu sichern. Zu dem Ende wird das Z. beim Grenzzollamt zur weitern Abfertigung unter Begleitschein abgegeben, dem letztern angestempelt und begleitet dann die Waren bis zu dem Hauptamt in ihrem Bestimmungsort, das den Begleitschein erledigt, das Z. aber zurückbehält. Die Ausgangszertifikat der Meßplätze haben eine ähnliche Bedeutung. Dem Kaufmann, der Messen mit zollpflichtigen Waren besucht, wird bei Erfüllung der regulativmäßigen Bedingungen ein Meßkonto für die Dauer der Messe bei dem Zollamt des betreffenden Platzes eröffnet. Über die verkauften zollpflichtigen Waren werden zwei übereinstimmende Zertifikate ausgestellt. Das eine Z. hat der Verkäufer an das Abfertigungsamt abzugeben, das andre erhält der Käufer, der binnen bestimmter Frist die Ware zur Ausgangsrevision zu stellen hat. So lange dies nicht geschehen, bleibt der Kontoinhaber für den Zoll haftbar; dagegen wird ihm, wenn die Gestellung richtig erfolgt, der Zoll von seinem Konto abgeschrieben, und er hat nur die übrigen innerhalb der Zollgrenze verbleibenden Waren am Ende der Messe zu versteuern. Auch Großhändler, denen fortlaufende Konti eröffnet sind, haben bei der Ausfuhr von Waren oder bei deren Überführung nach Städten mit öffentlichen Niederlagen über jede Warenpost ein Z. auszustellen, das binnen vier Wochen dem Abfertigungsamt vorzulegen ist, und auf Grund dessen ihnen der Zoll vom Konto abgeschrieben wird. Bei Wertzöllen heißen Deklarationszertifikate die Scheine, in denen Marktpreise von Waren behördlich bestätigt werden. Über Schiffszertifikate s. Schiffsregister.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 904.
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